Häufige Fragen an Ombudsstellen
Stand 01/2024
Herzlich willkommen bei den FAQ der Ombudschaft in der Jugendhilfe!
Auf dieser Seite sind häufig gestellte Fragen zur Kinder- und Jugendhilfe beantwortet und nach Themenfeldern sortiert. Falls Sie die Suchfunktion nutzen möchten, können Sie die FAQ auch hier als PDF herunterladen. Die FAQ werden regelmäßig aktualisiert.
Einleitung
Die Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland haben sich zu einem Bundesnetzwerk zusammengeschlossen und treffen sich regelmäßig zum Austausch und zur Bearbeitung gemeinsamer Themen. Dabei wurde deutlich, dass es Fragen gibt, die in allen Ombudsstellen regelmäßig gestellt werden.
Für die Ratsuchenden, aber auch für die Ombudsstellen haben wir häufig gestellte Fragen (oder: Frequently Asked Questions- FAQ) zusammengestellt und beantwortet. Die Fragestellungen sind für alle Ratsuchenden, ob es sich um Eltern, Kinder, Jugendliche, junge Volljährige oder auch Fachkräfte handelt. Die Fragestellungen beziehen sich insbesondere auf Situationen, in denen Hilfen zur Erziehung (27 SGB VIII) oder Hilfen für junge Volljährige (§41 SGB VIII) beantragt sind oder durchgeführt werden. Die FAQ dienen zu einer ersten Orientierung und können die ombudschaftliche Beratung nicht ersetzen. Aber eine erste Einschätzung der eigenen Situation kann hier Unterstützung finden.
Die Fragen sind nach Themenfeldern sortiert und die Antworten geben auch Hinweise auf rechtliche Ansprüche. Bei einigen Themen bzw. Fragen gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern. Dies ist gekennzeichnet. Die Ausweisung von fachlichen Hinweisen und Verweise auf Gesetzestexte sind verlinkt: „Wer noch mehr wissen möchte…“
Ombudschaftliche Beratung kann nicht alle Fragen beziehungsweise Themen lösen. Auch andere Stellen können Beratung und Unterstützung bei Problemen bieten. Manchmal ist zum Beispiel eine Erziehungsberatungsstelle eine gute Adresse, wenn es um Fragestellungen zur Erziehung geht.
Übrigens: Nach der Gesetzesänderung ist auch das Jugendamt verpflichtet, zu allgemeinen Anfragen die Jugendhilfe betreffend zu beraten, beispielsweise zu Leistungen anderer Leistungsträger oder Hinweise auf Beratungsangebote vor Ort zu geben.
Ombudschaftliche Beratung finden Sie in fast allen Bundesländern. Die Kontaktdaten finden Sie hier.
Zur besseren Lesbarkeit schreiben wir in der weiblichen Form. Alle Menschen werden dabei von uns angesprochen. Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, Geschlecht, geschlechtlicher Identität, Alter, Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder Behinderung sollen von diesen FAQ profitieren können.
1. Welche Beratungsstelle kann weiterhelfen/ wann ist ombudschaftliche Beratung sinnvoll?
Frage 1.1.: Beratung: Wer kann sich ombudschaftlich beraten lassen?
Ombudsstellen bieten jungen Menschen und ihren Familien, die in Konfliktsituationen mit der Kinder- und Jugendhilfe (Jugendamt und freie Träger) stehen, Beratung, Informationen und Vermittlung. Denn Ombudschaft heißt: Informieren, aufklären, begleiten und stärken. Sie richten sich an alle Menschen, die sich über ihre Rechte nach dem SGB VIII aufklären lassen wollen. Die Beratung ist unabhängig vom Jugendamt, kostenfrei und vertraulich.
Frage 1.2.: Ich habe Probleme mit dem Jugendamt oder einem Träger. An welche Beratungsstelle kann ich mich konkret wenden?
Ombudschaftliche Beratungsstellen gibt es in den meisten Bundesländern. Mittlerweile gibt es zahlreiche Ombudsstellen im Bundesnetzwerk und mehrere mit ihnen kooperierende Beratungsstellen. Alle Ombudsstellen finden sich unter diesem Link: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen/
Wenn es in einer Region noch keine ombudschaftliche Beratungsstelle gibt, kann Kontakt für eine telefonische Kurzberatung zu einer Ombudsstelle im Nachbarbundesland aufgenommen werden. Die Ombudsstellen können je nach Thema auch andere Beschwerdestellen nennen.
Frage 1.3.: Jugendamt: Ich habe Probleme mit der Erziehung meines Kindes – muss ich mich an das Jugendamt wenden?
Das ist nicht unbedingt notwendig. Es gibt je nach Bundesland verschiedene Beratungsangebote wie zum Beispiel Erziehungsberatungsstellen mit unterschiedlichen Angeboten. Die Ombudsstelle kann über diese Beratungsstellen informieren. Dort kann auch geklärt werden, ob weitere Unterstützung durch das Jugendamt sinnvoll erscheint.
Frage 1.4.: Gewaltvorwurf: Ich bin Mutter und mir wird vorgeworfen, dass ich meinem Kind Gewalt antun würde. Das ist aber nicht so. Wie kann ich das Jugendamt davon überzeugen?
Das Jugendamt ist auf Grundlage des sogenannten Wächteramtes dazu verpflichtet, Hinweisen auf eine eventuell bestehende Kindeswohlgefährdung nachzugehen. Jeder junge Mensch hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung (§ 1631 BGB). Das bedeutet, dass weder körperliche Bestrafungen noch seelische Verletzungen zulässig sind. Das Gesetz verankert das Recht auf gewaltfreie Erziehung (§ 1631 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches), dem auch zu entnehmen ist, dass „körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen unzulässig“ sind. Durch eine offene Zusammenarbeit mit dem Jugendamt sollten diese Missverständnisse ausgeräumt werden.
2. Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es bei typischen Konflikten?
Frage 2.1.: Wechsel der zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin: Die Mitarbeiterin des Jugendamts unterstützt mich nicht. Kann ich wechseln?
Der Wechsel einer Mitarbeiterin ist gar nicht so einfach, wie man denken möchte. Man kann den Wunsch äußern, man kann sich auch an den oder die Vorgesetzte wenden oder gar eine Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen. Es kann immer wieder passieren, dass man mit der zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin nicht so gut reden kann, dass "die Chemie einfach nicht stimmt", dass man aus verschiedenen Gründen kein Vertrauen hat. Die Jugendämter haben in der Regel auch ein Interesse daran, dass die Arbeitsbeziehung zwischen den Mitarbeiterinnen und den Klientinnen gut funktioniert, und versuchen dem Wunsch nach einem Wechsel nachzukommen. Ein Recht auf Wechsel der Mitarbeiterin gibt es allerdings nicht.
Frage 2.2.: Dienstaufsichtsbeschwerde: Ich bin unzufrieden mit der Mitarbeiterin des Jugendamts. Macht es Sinn, eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu formulieren?
Die Dienstaufsichtsbeschwerde gehört zu den sogenannten "formlosen Rechtsbehelfen", Sie sollte an die Leitung der betreffenden Mitarbeiterin und an die Amtsleitung gerichtet werden. Sie führt immer dazu, dass die jeweilige Mitarbeiterin von der Leitung darauf angesprochen und die Angelegenheit näher beleuchtet wird. Sie führt in den allerseltensten Fällen dazu, dass der oder die betreffende Mitarbeiterin tatsächlich wegen ihres Verhaltens ausgetauscht wird. Sollten sich Dienstaufsichtsbeschwerden hinsichtlich einer der Mitarbeiterin häufen, darf jedoch durchaus davon ausgegangen werden, dass dies von der Leitung wahrgenommen wird und es früher oder später zu bestimmten Konsequenzen für die Mitarbeiterin führen wird. Von daher ist eine Dienstaufsichtsbeschwerde nicht umsonst.
Von einer Dienstaufsichtsbeschwerde zu unterscheiden ist die Fachaufsichtsbeschwerde, die sich nicht gegen das einzelne Verhalten einer Mitarbeiterin richtet, sondern gegen eine fachliche Entscheidung.
Frage 2.3.: Beistandschaft: Ich fühle mich beim Jugendamt immer so allein. Alle reden auf mich ein und niemand ist für mich da. Wie kann ich mir Unterstützung holen?
Grundsätzlich hat jede Person das Recht, sich bei einem Termin beim Jugendamt von einer Person (oder auch mehreren Personen) des Vertrauens begleiten zu lassen (§ 13 Abs 4 SGB X). Weil dies nicht alle Mitarbeitenden beim Jugendamt wissen und gelegentlich auch verwehren wollen, ist es durchaus sinnvoll, diesen Paragrafen parat zu haben, um ihn notfalls vorzeigen zu können. Bei der Person des Vertrauens kann es sich um eine Freundin handeln, um einen Elternteil oder auch zum Beispiel Mitarbeitende einer Ombudsstelle. (www.ombudschaft-jugendhilfe.de)
Frage 2.4.: Hilfeplan: Meine Kinder leben in Wohngruppen. Das Sorgerecht teile ich mir mit meiner Ex-Partnerin. Wir streiten uns in den Hilfeplangesprächen immer. Das hilft unseren Kindern nicht. Können diese Gespräche nicht geteilt ablaufen?
Ja, das ist möglich. Wenn das Jugendamt, das nicht selbst vorschlägt, können Sie das machen. Dabei ist es hilfreich, wenn Sie offen darum bitten und fair sagen können, warum geteilte Gespräche besser sind („Ich wünsche mir das, weil es so glaube ich besser für meine Kinder ist“). Es ist nicht hilfreich, der Ex-Partnerin oder dem Jugendamt die Schuld dafür zu geben, dass es bisher nicht gut funktioniert hat.
Geteilte Gespräche bedeuten auch, dass vieles zweimal besprochen werden muss. Es kann aber auch sein, dass das Gespräch nicht aufgeteilt wird. Dann gibt es die Möglichkeit, mit einer Ombudsperson vorher zu besprechen, wie Sie ruhig bleiben und Ihre Wünsche trotzdem sagen können. Vielleicht kann die Ombudsperson sogar zum Gespräch mitkommen und Sie dort unterstützen.
Frage 2.5.: Hilfeplan: Im letzten Hilfeplan war mündlich etwas anderes vereinbart, als es dann im Protokoll stand. Das Jugendamt sagt aber, dass es nun so wäre, wie es dort steht. Was kann ich dagegen tun?
Das Jugendamt kann dazu aufgefordert werden, den Hilfeplan noch einmal zu ändern. Sollte sich das Jugendamt weigern, kann eine eigene schriftliche Stellungnahme zum Hilfeplan geschrieben und das Jugendamt darum gebeten werden, die Anmerkungen zur Akte zu heften.
Wir empfehlen, im Zweifelsfall die wichtigsten Punkte und Vereinbarungen in Gesprächen mit dem Jugendamt mitzuschreiben und dem Jugendamt zu übersenden, damit es nach dem Gespräch nicht zu Missverständnissen kommt.
Frage 2.6.: Hausbesuch: Bei uns hat sich das Jugendamt zu einem Hausbesuch angekündigt. Muss ich das Jugendamt in meine Wohnung lassen?
Das Jugendamt soll sich im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung einen unmittelbaren Eindruck von der persönlichen Umgebung des Kindes verschaffen. Zur persönlichen Umgebung des Kindes gehört auch die Wohnung. Sollten Sie dem Jugendamt den Zutritt zu Ihrer Wohnung verweigern, so kann es sich in besonderen Fällen Unterstützung von der Polizei holen. Dies ist nur möglich, wenn es aus Sicht des Jugendamtes Hinweise für eine akute Kindeswohlgefährdung nach § 8 a SGB VIII gibt.
Ein Hausbesuch ist ohne konkrete gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindes nicht zulässig, wenn es dem Jugendamt darum geht, sich lediglich einen Eindruck von dem Kind zu verschaffen. Dennoch bleibt Ihnen die Möglichkeit, das Jugendamt in Ihre Wohnung zu lassen und in einem gemeinsamen Gespräch zu klären, wie die Situation einzuschätzen ist.
Frage 2.7.: Einseitig: Ich streite mich mit dem Vater meines Kindes. Das Jugendamt nimmt meine Ängste nicht ernst. Dürfen sich die Mitarbeitenden auf eine Seite stellen?
Das Jugendamt hat die Aufgabe, in Trennungs- und Scheidungsfragen über die Angebote im örtlichen Einzugsbereich zu informieren und gegebenenfalls zu beraten und zu begleiten. Dies alles soll frühzeitig im Trennungsfall erfolgen, wenn zum Beispiel das Familiengericht von Scheidungsabsichten erfährt und Kinder beteiligt sind, oder die Eltern sich ratsuchend ans Jugendamt wenden. Wenn das Jugendamt selbst die Beratung übernimmt oder sogar Erziehungshilfe leistet, sind die Mitarbeitenden verpflichtet, zum Wohle des Kindes zu handeln. Sie dürfen sich also auf die Seite der Kinder stellen, sollten aber die Eltern gleichermaßen beraten.
3. Zuständigkeit des Jugendamtes
Frage 3.1.: Zuständigkeitswechsel: Seit zwei Jahren lebt mein Kind in einer Pflegefamilie im Nachbarlandkreis. Nun soll das bisherige Jugendamt nicht mehr zuständig sein, sondern das Jugendamt im Nachbarlandkreis. Ist das rechtens?
Ja, wenn ein Kind oder eine Jugendliche zwei Jahre bei einer Pflegeperson lebt und sein Verbleib dort auf Dauer zu erwarten ist, wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson lebt. Dies ist in § 86 Abs. 6 SGB VIII geregelt.
Frage 3.2.: Jugendamt wechseln: Ich lebe in einer Wohngemeinschaft. Das zuständige Jugendamt ist 300 km weit entfernt und kümmert sich nicht. Kann ich einen Wechsel des Jugendamtes beantragen?
Es besteht die Möglichkeit sogenannte Amtshilfe nach § 4 SGB X zu beantragen. Amtshilfe ist eine auf Ersuchen geleistete ergänzende Hilfe zwischen Behörden im gesetzlichen Rahmen, ohne dass ein Weisungsverhältnis zwischen den Behörden besteht und die ersuchte Behörde die Amtshandlung als eigene Aufgabe wahrzunehmen hätte. Das heißt, Mitarbeitende des jeweiligen Wohnortes werden als "Distanzunterstützung" eingesetzt und treten in stellvertretender Rolle auf.
Speziell bei Pflegekindern: hier erfolgt nach 2 Jahren ein Zuständigkeitswechsel zu dem Jugendamt, in dessen Bezirk die Pflegefamilie lebt, wenn das Kind oder die Jugendliche dort auf Dauer bleiben soll.
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Frage 3.1.
Wenn sich der Wohnsitz verändert, weil Du als Volljährige aus einer Einrichtung ausziehst, wechselt die Zuständigkeit des Jugendamtes.
Frage 3.3.: Erreichbarkeit: Ich versuche seit Tagen, jemanden im Jugendamt zu erreichen. Aber es geht niemand an das Telefon. Wie kann ich trotzdem jemanden erreichen?
Die telefonische Erreichbarkeit des Jugendamtes ist oft nicht ganz einfach. Eine Möglichkeit ist, auf der Homepage des jeweiligen Jugendamtes zu schauen, ob es einen sogenannten Tagesdienst gibt und diesen anzurufen. Der Tagesdienst soll gerade gewährleisten, dass immer eine Mitarbeiterin erreichbar ist. Einige Jugendämter haben auf ihrer Homepage auch die E-Mailadressen der Mitarbeiterinnen aufgeführt. Dann macht es Sinn, das Anliegen mit der dringenden Rückrufbitte per E- Mail zu schildern.
Aufgrund der Kontaktbeschränkungen durch Covid 19 bieten manche Jugendämter keine offenen Sprechstunden an. Außerdem ist es von den jeweiligen Mitarbeitenden abhängig, ob spontane Besuche möglich sind. Es kann passieren, dass kurzfristige Termine nicht angeboten werden können. Jedes Jugendamt sollte allerdings die Möglichkeit anbieten, mitzuteilen, dass Hilfe benötigt wird.
Frage 3.4.: Wechsel des Jugendamtes: Ich bin Mutter, bekomme Sozialpädagogische Familienhilfe und will in eine andere Stadt umziehen. Wird dann auch ein anderes Jugendamt zuständig?
Grundsätzlich gilt für die Kinder- und Jugendhilfe: Für die Gewährung von Leistungen ist das Jugendamt zuständig, in dessen Bereich die Eltern (bzw. der personensorgeberechtigte Elternteil) den gewöhnlichen Aufenthalt haben. Das bedeutet, dass bei einem Umzug wie z.B. hier der Mutter in eine andere Stadt oder Region, die Zuständigkeit des Jugendamtes wechselt. Es wird dann das Jugendamt in der neuen Stadt zuständig. Indem zum Beispiel hier die Mutter ihren Wohnort wechselt, begründet sie auch eine neue Lebenssituation. Wichtig ist, dass der neue Wohnort auch ihr neuer Lebensmittelpunkt (= gewöhnlicher Aufenthalt) sein soll, der nicht nur für ein paar Wochen gedacht ist. Die Bewertung der nun neuen Lebenssituation und deren Auswirkungen auf die Erziehungsleistung der Mutter ist die Aufgabe des nun neu-zuständigen Jugendamtes. Wechselt die Zuständigkeit des Jugendamtes, so bleibt das bisherige Jugendamt so lange für die Familie zuständig, bis das neue, zuständige Jugendamt offiziell übernimmt.
Vom Gesetz her hat die Mutter den Anspruch, dass die Sozialpädagogische Familienhilfe bis zu einer Entscheidung durch das neu-zuständige Jugendamt fortgesetzt wird. Aber dieses Recht stößt an seine Grenzen, wenn zum Beispiel der neue Wohnort außerhalb des Tätigkeitsbereiches des Trägers der Sozialpädagogischen Familienhilfe liegt und die Fachkräfte die Fahrtwege nicht leisten können. Es empfiehlt sich, frühzeitig mit der Fachkraft der Familienhilfe und dem noch-zuständigen Jugendamt abzusprechen, ob und wie eine Überbrückung der Hilfeleistung ermöglicht werden kann. Dies steht in § 86 SGB VIII.
Frage 3.5.: Angebote der Jugendhilfe: Ich bin als Mutter manchmal einfach überfordert mit Haushalt, Kindern und eigener Arbeit. Kann ich mich ans Jugendamt wenden und können die mir wirklich helfen?
Sie können sich an das Jugendamt wenden. Grundlegende Aufgabe der Jugendhilfe ist es, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung zu beraten und zu unterstützen. Dieses Ziel soll durch einzelne Leistungen der Jugendhilfe in Form von Angeboten erreicht werden. Eltern können für ihre Kinder eine Hilfe zur Erziehung beantragen, wenn sie sich zeitweise überfordert fühlen und sie sich Sorgen um die weitere Entwicklung ihrer Kinder machen. Es gibt verschiedene ambulante, teil- und stationäre Hilfsangebote.
In einem Beratungstermin kann man Ihren Hilfebedarf ermitteln und Sie beraten, welche Hilfe für Sie notwendig und geeignet ist. Sie haben das Recht, dass Ihre Wünsche bei der Wahl der Hilfe berücksichtigt werden.
Frage 3.6.: Hilfe in Notsituation: Ich muss für 3 Wochen ins Krankenhaus. Wie kann die Versorgung der Kinder geregelt werden? Muss das Jugendamt mir eine Haushaltshilfe stellen?
Haushaltshilfe: Nach §38 SGB V:
Ist eine Weiterführung des Haushalts wegen eines Krankenhausaufenthalts nicht möglich, erhalten Mütter und Väter in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Haushaltshilfe. Voraussetzung hierfür ist, dass im Haushalt ein Kind lebt, welches das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Für die Antragsstellung bei der Krankenkasse ist eine Bescheinigung des behandelnden Arztes über die medizinische Notwendigkeit einer Haushaltshilfe erforderlich.
In Abgrenzung zu §20 SGB VIII:
Eltern haben einen Anspruch auf eine Unterstützung in Alltagssituationen, in denen eine Versorgung und Betreuung des Kindes nicht sichergestellt werden kann. Ziel ist es, den familiären Lebensraum für das Kind zu erhalten. Demnach soll verhindert werden, dass das Kind außerhalb der Familie untergebracht werden soll, obwohl kein erzieherischer Bedarf besteht. Hierbei richten sich die Art und Weise, sowie der zeitliche Umfang nach dem Bedarf im Einzelfall.
Eltern haben einen Anspruch auf Unterstützung bei der Betreuung und Versorgung des Kindes, wenn
- ein Kind im Haushalt lebt, dass zu Beginn der Leistung das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
- das Elternteil, das für die Betreuung und Versorgung des Kindes überwiegend verantwortlich ist, aus gesundheitlichen oder anderen zwingenden Gründen ausfällt. (andere zwingende Gründe: Tod, Kur, Inhaftierung, Entbindung).
- das Wohl des Kindes nicht durch den anderen Elternteil, oder anderweitig gewährleistet werden kann.
Hierbei stellt eine berufsbedingte Abwesenheit des andern Elternteils keine Tatbestandsvoraussetzung darf.
4. Mit welchen Rechtsmitteln können junge Menschen und ihre Familien ihre Rechte konkret durchsetzen?
Frage 4.1.: Widerspruch: Ich möchte gegen eine Entscheidung des Jugendamtes in Widerspruch gehen. Wie kann ich das tun?
Ein Widerspruch muss schriftlich beim Jugendamt erhoben werden. Hier gilt eine Frist von 1 Monat, nachdem der Bescheid bekannt gegeben worden ist. Der Widerspruch kann per Post oder FAX an das Jugendamt geschickt werden, eine E-Mail reicht nicht aus. Eine Begründung des Widerspruchs ist zwar nicht zwingend erforderlich. Allerdings ist eine Begründung sinnvoll, da die Mitarbeitenden im Jugendamt nur dann nachvollziehen können, warum dem Bescheid widersprochen wird und womit man sich nicht einverstanden erklärt. Eine Begründung für den Widerspruch kann auch nachgereicht werden.
Möchte man den Widerspruch nicht selbst schreiben, kann dieser auch direkt beim Jugendamt zu Protokoll gegeben werden. Das bedeutet, dass eine Mitarbeiterin des Jugendamts den Widerspruch aufschreibt.
WICHTIG: In Niedersachsen und Sachsen- Anhalt gibt es kein Widerspruchsverfahren mehr. Hier ist nach Erhalt eines Bescheides ausschließlich Klage gegen den Bescheid möglich.
Frage 4.2.: Widerspruch abgelehnt: Ich habe Widerspruch gegen einen Bescheid des Jugendamtes eingelegt. Nun kam die Ablehnung des Widerspruchs. Was kann ich jetzt noch tun?
Es besteht die Möglichkeit, Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Die Klage muss schriftlich (das heißt handschriftlich unterschrieben) innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids bei Gericht eingereicht werden. Der Widerspruchsbescheid des Jugendamtes muss eine sogenannte Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, in der genau aufgeführt ist, welches Gericht örtlich zuständig ist und in welcher Form und Frist die Klage einzureichen ist. Sollte der Bescheid am Ende keine oder eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, so kann die Klage innerhalb eines Jahres eingereicht werden.
Klagen werden vor dem Verwaltungsgericht eingereicht und sind erfreulicherweise gerichtskostenfrei.
Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht wegen eines abgelehnten Leistungsantrags ist nur möglich, wenn zuvor ein Widerspruch eingelegt worden ist. Dieses Vorverfahren ist unbedingt einzuhalten!
WICHTIG: In den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Niedersachsen ist das Widerspruchsverfahren abgeschafft worden. Das bedeutet, es muss sofort nach einem ablehnenden Bescheid Klage eingereicht werden, wenn man das will.
Es besteht keine Anwaltspflicht für Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht. Zudem gibt es die Möglichkeit, die Klage zu Protokoll bei Gericht zu erheben. Dies bedeutet, dass ein Urkundsbeamter des Gerichts die Klageschrift verfasst und diese dann direkt bei Gericht eingereicht wird.
Das Gerichtsverfahren selbst ist zwar gerichtskostenfrei. Die Anwältin dagegen kann etwas kosten. Es gibt die Möglichkeit, bei Gericht Prozesskostenhilfe zu beantragen, mit der die Kosten der Anwältin abgedeckt sind. Prozesskostenhilfe wird vom Gericht nur dann bewilligt, wenn es der Ansicht ist, dass die Klage genügend Aussicht auf Erfolg hat und das Einkommen nicht ausreicht, um die Prozesskosten selbst zu tragen (Infos zur Prozesskostenhilfe: www.prozesskostenhilfe-direkt.de). All dies sollte im Vorhinein, also vor Einreichung der Klage, ausführlich mit der Anwältin besprochen werden.
Einkommensschwache Bürgerinnen haben die Möglichkeit für eine rechtsanwaltliche Erstberatung einen Beratungsschein (in Bremen gibt es keinen Beratungsschein, hier kann man sich an die Rechtsberatungsstelle beim Amtsgericht Bremen wenden) zu beantragen. Die Kosten werden dann bis auf eine Gebühr von 15,-€ übernommen. Die meisten Ombudsstellen können Rechtsanwältinnen empfehlen, die im Kinder- und Jugendhilferecht spezialisiert sind. Einige Ombudsstellen übernehmen auch in einigen Fällen Kosten für eine Rechtsanwältin.
Frage 4.3.: Akten: Ich bin Mutter und bekomme Hilfe zur Erziehung. Ich vermute, dass in meinen Akten viel Schlechtes über mich steht. Wie kann ich herausfinden, was da geschrieben steht?
Grundsätzlich gibt es ein Akteneinsichtsrecht nach § 25 SGB X. In der Kinder- und Jugendhilfe gibt es aber starke Einschränkungen dieses Rechts. Denn bei den Informationen, die in den Akten des Jugendamts zu finden sind, handelt es sich regelmäßig um sogenannte „Sozialdaten“, die unter besonderem Schutz stehen. Grund dafür ist die besonders hohe Sensibilität dieser Daten, die in der Regel auch Kinder betreffen. Der besondere Schutz dient also dem Minderjährigenschutz.
In § 65 Abs. 1 SGB VIII ist deshalb geregelt, dass Sozialdaten, die Mitarbeitende eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (also dem Jugendamt) zum Zwecke persönlicher oder erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, nur mit Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat, oder im Falle von Kindeswohlgefährdung dem Familiengericht oder anderen Fachkräften weitergegeben werden dürfen. Da das Jugendamt so gut wie immer zu dem Zwecke aufgesucht wird, dass es einem bei der Erziehung mit Minderjährigen oder der Auseinandersetzung zum Beispiel mit dem anderen Elternteil – aber auch bezogen auf ein Kind – Unterstützung gibt, kann so ziemlich jede Information in den Jugendamtsakten als besonders vertrauenswürdig eingestuft werden. Hinzu kommt, dass es das Jugendamt selbst ist, welche die Einschätzung, ob die Daten besonders vertrauenswürdig sind oder nicht, vornimmt und eine gerichtliche Kontrolle nicht existiert.
Das heißt nicht, dass man gar keinen Zugang zu irgendwelchen Dokumenten hat. So sind einem als betroffenem Elternteil zum Beispiel die Protokolle über die Hilfeplangespräche auszuhändigen oder die regelmäßigen Berichte der freien Träger, mit denen man bisher zusammengearbeitet hat. Aber ein „Rundumblick“ in die Akten ist einem nicht möglich.
Frage 4.4.: Hilfegewährung: Als Vater habe ich schon mehrfach einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt. Aber immer sagt das Jugendamt, ich solle mir Erziehungsberatung holen. Das reicht mir aber nicht. Was kann ich tun?
Wenn das Jugendamt die Hilfen, die man beantragt, nicht gewähren möchte und einen mit dem Verweis auf Erziehungsberatung hinhält, dann sollte man dem Jugendamt klar und deutlich eine Frist setzen, bis zu der sie den Antrag durch einen schriftlichen Bescheid abgelehnt haben. Sollte das Jugendamt dieser Aufforderung nachkommen und die beantragte Hilfe ablehnen, kann innerhalb eines Monats Widerspruch dagegen eingelegt werden. In diesem Widerspruch kann noch einmal ausführlich begründet werden, weshalb die beantragte Hilfe zur Erziehung benötigt wird und als die notwendige und geeignete Hilfe betrachtet wird.
Sollte der Hilfebedarf wirklich dringend sein, kann gleichzeitig mit dem Widerspruch beim Verwaltungsgericht ein Eilantrag auf Bewilligung der Hilfe gestellt werden. Da dies ein recht kompliziertes Verfahren ist, ist die Inanspruchnahme von anwaltlicher Hilfe in diesem Fall ratsam. Zwingend ist dies jedoch nicht, da es keinen Anwaltszwang vor den Verwaltungsgerichten gibt.
Sollte das Jugendamt bis zu der gesetzten Frist weiterhin keinen Bescheid erlassen, dann ist ebenfalls die Einlegung eines Eilantrags beim Verwaltungsgericht auf Bewilligung der beantragten Hilfe möglich. Gerade bei den Hilfen zur Erziehung braucht man nicht „ewig“ auf einen Bescheid vom Jugendamt zu warten. Es ist allgemein anerkannt, dass Jugendhilfeleistungen in der Regel sofort notwendig sind und keinen langen Aufschub erlauben.
HINWEIS: Die Erziehungsberatung ist nicht bescheidpflichtig und kann auch ohne Antrag beim Jugendamt kostenfrei in Anspruch genommen werden.
5. Beteiligung und Mitbestimmung in den Hilfen zur Erziehung
Zu diesem Thema finden sich weitere Fragen und Antworten unter Punkt 2.
Frage 5.1.: Welche Mitbestimmungsrechte haben junge Menschen und Familien eigentlich in den Hilfen zur Erziehung?
Das Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) kennt viele Beteiligungsrechte. Diese wurden durch das KJSG (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz) noch einmal gestärkt. Es gibt mehrere Vorgaben, in denen das Recht der jungen Menschen und ihrer Familien an der Gestaltung der Hilfe mitzuwirken, verankert ist. Es ist nur gemeinsam mit den Betroffenen möglich, passgenaue Perspektiven zu entwickeln, um auf das Erreichen gesteckter Ziele hinzuwirken. Das wird durch das Gesetz aufgegriffen und untermauert.
Zentrale Punkte sind:
- § 36 SGB VIII: Beteiligung bei der Hilfeplanung (Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Fragen 5.2., 5.3., 5.4.)
- § 5 SGB VIII: Wunsch- und Wahlrecht (Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Fragen 5.5., 5.6.)
- § 8 SGB VIII: Beteiligung von Kindern und Jugendlichen (Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Fragen 5.7., 5.8.)
Frage 5.2.: Hilfeplangespräch: Mein Kind lebt in einer Pflegefamilie. Ich werde zu Hilfeplangesprächen nicht eingeladen. Ist das rechtens?
Wenn ein junger Mensch in einer Pflegefamilie lebt, sind die leiblichen Eltern zu Hilfeplangesprächen einzuladen. Der Kontakt zu den leiblichen Eltern ist für junge Menschen zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und für die Entwicklung der eigenen Identität von Bedeutung. Dieses Recht des jungen Menschen muss von allen Beteiligten berücksichtigt werden. Wenn das Jugendamt einen jungen Menschen in Vollzeitpflege (Pflegefamilie) vermittelt, muss ein Hilfeplan nach § 36 SGB VIII erarbeitet werden. Dazu gehören auch regelmäßig stattfindende Hilfeplangespräche. Bei der gesamten Hilfeplanung sind die Eltern, die Pflegeeltern und der junge Mensch angemessen zu beteiligen und einzubeziehen.
Für sorgeberechtigte Eltern gilt: grundsätzlich haben sie das Recht an den Hilfeplangesprächen teilzunehmen und müssen zu diesen eingeladen werden.
Für nichtsorgeberechtigten Eltern gilt: sie sind in der Regel zur Bedarfsfeststellung zu beteiligen.
Frage 5.3.: Zwang zur Unterschrift: Ich muss immer den Hilfeplan sofort unterschreiben. Ist das rechtens?
Es ist im Gesetz nicht vorgeschrieben, dass der Hilfeplan unterschrieben werden muss, deshalb besteht kein Zwang zur Unterschrift. Allerdings ist es üblich, den Hilfeplan zu unterschreiben. Auch wenn ein Hilfeplan unterschrieben wurde, entfaltet er keine Wirkung für alle Zeit. Er wird in der Regel halbjährlich hinsichtlich der Geeignetheit und Notwendigkeit der gewählten Maßnahme überprüft (§ 36 Abs.2 S. 2 SGB VIII).
Auf jeden Fall hat man das Recht, den Hilfeplan mit nach Hause zu nehmen und in Ruhe zu lesen. Er kann dann innerhalb einer angemessenen Zeit zurückgeschickt werden (1-2 Wochen).
Frage 5.4.: Übersetzerin: Ich stamme nicht aus Deutschland und brauche bei Hilfeplangesprächen eine Übersetzerin. Muss das Jugendamt das zahlen?
Ja, das Jugendamt ist in der Pflicht dafür zu sorgen, dass bei den Hilfeplangesprächen eine Sprachmittlerin/ Dolmetscherin übersetzen kann und muss auch die Kosten tragen. Auch für gehörlose Menschen müssen Gebärdendolmetscherinnen bewilligt werden. Im Übrigen hat die Beratung und Aufklärung in verständlicher, nachvollziehbarer und wahrnehmbarer Form zu erfolgen (§ 36 Abs. 1 S. 2 SGB VIII).
Frage 5.5.: Wunsch- und Wahlrecht:
a) Mein Kind soll ins Heim. Das Jugendamt hat mir zwei Wohngruppen vorgeschlagen, zwischen denen ich wählen soll. Die will ich nicht. Kann ich weitere Wohngruppen anschauen?
b) Ich soll mit meinem Kind in eine Mutter-Kind-Einrichtung. Ich bin bereit dazu, will aber eine andere Einrichtung als das Jugendamt. Darf ich auswählen?
Ja, das ist durchaus möglich. Sowohl die Eltern, die jungen Menschen die in eine Wohngruppe oder Mutter/Vater- Kind Einrichtung wollen, dürfen eigene Vorschläge machen. Die gewünschte Einrichtung muss die gleiche Hilfe anbieten, wie die vom Jugendamt gewählte und darf nicht unverhältnismäßig teurer sein. Auch wenn die Wertung im Einzelfall entscheidet, werden in der Praxis in der Regel Mehrkosten von bis zu 20% als verhältnismäßig anerkannt.
In § 5 SGB VIII ist das Recht der Leistungsberechtigten festgehalten, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe äußern zu können. Es geht im Kern um die Frage des „wie“ der Hilfe. Die Entscheidung über das „ob“ und damit zumeist auch die Art der Leistung, auf die ein Anspruch besteht, wird bereits vorher im Rahmen des kooperativen Verständigungsprozesses der Hilfeplanung getroffen. Das Jugendamt ist verpflichtet, die Leistungsberechtigten hierüber aktiv aufzuklären.
Das Jugendamt ist verpflichtet, der Wahl zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger bzw. dem Wunsch hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu folgen, sofern kein atypischer Einzelfall vorliegt. Es handelt sich dabei um eine sogenannte „Soll“-Regelung. Das bedeutet, dass das Jugendamt darlegen muss, warum es den Wunsch nicht berücksichtigt. Wenn sich Leistungsberechtigte und Fachkraft einig sind, welche Hilfe im Einzelfall geeignet und erforderlich ist, spielt der Mehrkostenvorbehalt hingegen keine Rolle.
Frage 5.6.: Wunsch- und Wahlrecht: Unser Kind ist einem Heim untergebracht, mit dem wir unzufrieden sind. Auch unser Kind möchte dort nicht mehr wohnen. Was können wir tun?
Die Entscheidung, in welchem Heim das eigene Kind wohnt und untergebracht ist, trifft das zuständige Jugendamt unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts der Sorgeberechtigten. Wenn man selbst als Sorgeberechtigte oder das Kind oder wie in diesem Fall alle mit dem Heim unzufrieden sind, sollte man sicherlich zuerst einmal das Gespräch mit der Heimleitung suchen. Möglicherweise lassen sich auf diese Weise die Steine des Anstoßes bereits zur Seite räumen. Dieses Gespräch kann auch unter Hinzuziehung des Jugendamtes erfolgen.
Wenn also der Wunsch nach einem Wechsel des Heims bestehen bleibt, muss zwingend ein Gespräch mit dem Jugendamt stattfinden, welches von der Notwendigkeit des Wechsels zu überzeugen ist. Manchmal kann das Jugendamt die Notwendigkeit eines Wechsels nicht gleich erkennen. Es ist dann in jedem einzelnen Fall abzuwägen, wie man das Jugendamt von dieser Notwendigkeit überzeugt. Grundlegend ist, auch bei dem Wunsch eines Wechsels der Einrichtung auf das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII und § 37c Abs. 3 SGB VIII hinzuweisen.
Sollte sich andeuten, dass es hinsichtlich des Wunsches auf einen Wechsel des Heims oder einer sonstigen Hilfe beim Jugendamt schwierig werden könnte, wird empfohlen, sich an eine der mittlerweile in fast jedem Bundesland existierenden Ombudsstellen der Kinder- und Jugendhilfe zu wenden, um dort Unterstützung um zu bitten (www.ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen).
Frage 5.7.: Beteiligung: Meine Tochter lebt in einem Heim. Sie ist 10 Jahre alt und darf nicht an den Hilfeplangesprächen teilnehmen. Ist das rechtens?
Kinder sind entsprechend ihres Entwicklungsstandes zu beteiligen. Das Jugendamt sollte das Beteiligungsrecht von jungen Menschen im Prozess der Hilfemaßnahme fördern und unterstützen. Je nach Alter können auch schon jüngere Kinder zum Beispiel 6-jährige beteiligt werden. Ihre Vorstellungen und Anliegen sollten mitberücksichtigt werden. Da im Hilfeplangespräch wichtige Themen für den Hilfeverlauf besprochen werden, sind Kinder darin Mitgestalter und sollten bei der Planung und Durchführung mitwirken. Kinder haben das Recht darauf, ihre Wünsche und Vorstellungen einzubringen, dies muss nicht zwangsläufig im Hilfeplangespräch passieren. (§ 36 SGB VIII Mitwirkung Hilfeplan).
Die Beteiligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen muss nach § 8Abs.4 SGB VIII in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen, dieses Recht erstreckt sich auch auf die für die Entscheidung maßgeblichen Gründe. Minderjährige habe ein Recht auf Äußerung, ob und wieweit sie sich einbringen, ist ihnen überlassen. Durch altersgerechte Methoden und Unterstützung ist ihnen hierfür jedoch die Möglichkeit zu bereiten.
Frage 5.8.: Mitbestimmung: Ich habe das Sorgerecht für meine Kinder. Das Jugendamt will, dass ich Hilfe annehme. Ich will das nicht. Muss ich Hilfe annehmen?
Wenn die Eltern das Sorgerecht haben, entscheiden sie auch, welche Leistung sie beim Jugendamt beantragen wollen. Die Mitarbeitenden des Jugendamts können im Rahmen ihrer Beratung verschiedene Hilfen vorschlagen und empfehlen, aber sie können niemanden zwingen, diese dann auch zu beantragen und anzunehmen.
Auch können Mitarbeitende des Jugendamtes keine Auflagen machen, welche die Eltern oder der junge Mensch erfüllen müssen. Wenn Mitarbeitende des Jugendamtes der Meinung sind, dass eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe zwingend geboten ist, -ein Kind muss zum Beispiel in einer Wohngruppe untergebracht werden, oder eine sozialpädagogische Familienhilfe ist zwingend notwendig,- so muss das Jugendamt sich an das Familiengericht wenden und dort nachweisen, dass das Kindeswohl gefährdet ist, wenn die Hilfe nicht durch die Sorgeberechtigten beantragt und angenommen wird.
Frage 5.9.: Familienhilfe keine Hilfe: Wir haben eine Familienhilfe. Die ist uns aber keine große Hilfe, sondern sie kritisiert uns nur. Ist das so in Ordnung?
Nein, das ist so nicht in Ordnung. Ausgehend von einer gemeinsamen Hilfeplanung (§ 36 SGB VIII), in der - möglichst vor Beginn der Hilfe - miteinander Ziele vereinbart wurden, aus der sich dann auch die Aufgaben der Familienhilfe ergeben, lässt sich recht gut beurteilen, ob die Tätigkeit der Familienhilfe eine Unterstützung dabei ist, diese Ziele zu erreichen. Nur Kritik seitens der Familienhilfe kann dabei nicht hilfreich sein. Wenn es nicht gelingt, diese Frage mit der Familienhilfe zu klären, dann ist eine Beschwerde beim Träger möglich, um den Konflikt zu klären. Dieser könnte zum Beispiel einen Mitarbeiterinnenwechsel initiieren. Eine andere Möglichkeit ist, die Schwierigkeiten dem Jugendamt mitzuteilen, dieses könnte als eine Möglichkeit einen anderen Träger mit der Familienhilfe beauftragen. Naheliegend wäre darüber miteinander zu reden, zuerst mit der Familienhilfe und, sollte das nicht weiterführen, mit dem Jugendamt. Dabei sollte gut benannt werden, wie die Tätigkeit der Familienhilfe empfunden wird, welche Anteile auch als hilfreich empfunden werden, und was fehlt. Zum Beispiel könnte die Anerkennung dafür fehlen, was man bereits gut macht. Zugleich sollte die Tätigkeit der Familienhilfe transparent und nachvollziehbar sein - und immer auch eine wertschätzende Haltung vermitteln. Manchmal passen aber auch Familie und Familienhilfe einfach nicht zusammen. Dann bliebe die Möglichkeit seitens des Trägers oder des Jugendamtes, eine andere Familienhilfe zu beauftragen. Bestenfalls geschieht dies nach einer gemeinsamen Erörterung, in der alle Beteiligten diesen Schritt - ohne Schuldzuweisungen - miteinander vereinbaren.
Frage 5.10.: Hilfeverweigerung: Ich bin gerade im Kinder- und Jugendnotdienst. Nun will ich in eine WG, das Jugendamt sagt aber, dass ich nach Hause zum Vater zurückkehren soll. Der ist aber gewalttätig. Das will ich nicht. Was kann ich tun?
In diesem Fall gibt es verschiedene Handlungsmöglichkeiten für minderjährige Betroffene:
Es besteht zuerst einmal die Möglichkeit, sich selbst an ein Familiengericht zu wenden (§ 24 FamFG). Dabei kann es hilfreich sein, wenn eine Vertrauensperson oder Ombudsstelle die betroffene minderjährige Person unterstützt.
Neben der Möglichkeit sich an ein Familiengericht zu wenden, können Minderjährige auch selbst der Beendigung der Inobhutnahme widersprechen. Auch bei der Formulierung des Widerspruchs kann eine Vertrauensperson oder eine Ombudsstelle helfen.
Ist der Weg über einen Widerspruch nicht erfolgreich, gibt es auch die Möglichkeit durch eine sogenannte Selbstmeldung (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII) eine erneute in Inobhutnahme und damit eine Schutzgewährung auszulösen.
6. Die Hilfe soll enden? - Was kann ich tun?
Frage 6.1.: Hilfeende: Unsere Familienhilfe soll beendet werden gegen meinen Willen. Was kann ich tun?
Wenn die Voraussetzungen für eine sozialpädagogische Familienhilfe gegeben sind, besteht grundsätzlich ein durchsetzbarer Anspruch (zur konkreten Durchsetzung siehe Fragen 4.1. und 4.2.) darauf. Dies bedeutet vor allem, dass die Familienhilfe geeignet und notwendig sein muss, die Familie in ihren Erziehungsaufgaben zu unterstützen. Zu der Dauer einer Familienhilfe legt § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII fest, dass die Familienhilfe „auf längere Dauer“ angelegt ist.
7. Umgangs- und Sorgerecht
Frage 7.1.: Umgang: Mein Kind lebt bei meiner Ex-Partnerin. Ich möchte mehr Umgang. Was kann ich tun?
Grundsätzlich hat jeder Elternteil das Recht zum Umgang mit seinem Kind (§ 1684 Abs. 1 BGB). Dies ist unabhängig davon, ob Sie das Sorgerecht haben. Im Sinne des Kindes ist es immer von Vorteil, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Manchmal ist es hilfreich, sich für diese Gespräche Unterstützung zu suchen. Diese finden Sie je nach Bundesland zum Beispiel bei Erziehungs- und Familienberatungsstellen. Sollte die Beratung dort nicht zu einer Klärung führen, können Sie sich auch an das Jugendamt wenden.
Das Jugendamt berät ebenfalls in Umgangsfragen und unterstützt bei der Ausübung des Umgangsrechts (§ 18 Abs. 3 S. 3 SGB VIII).
Sollten diese Versuche scheitern, können Sie sich an das Familiengericht wenden. Das Familiengericht kann den Umfang des Umgangsrechts sowie seine Ausübung näher regeln (§ 1684 Abs. 3 und 4 BGB).
Frage 7.2.: Begleiteter Umgang: Der Vater meiner Tochter soll begleiteten Umgang bekommen. Dafür ist ein Träger ausgesucht worden. Ich würde aber gern einen anderen Träger nehmen. Was kann ich tun?
Nach § 5 SGB VIII haben die Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern (Wunsch- und Wahlrecht). Das Jugendamt hat gemäß § 5 Abs. 1 Satz SGB VIII auf das Wunsch- und Wahlrecht hinzuweisen. Dies bedeutet, dass das Jugendamt sich hier an dem Wunsch der Eltern orientieren sollte und prüfen muss, ob der von den Eltern vorgeschlagene Träger mit dem begleiteten Umgang beauftragt werden kann.
Das Wunsch- und Wahlrecht kann aus Kostengründen eingeschränkt werden, sofern unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen.
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Frage 5.5. und 5.6.
Frage 7.3.: Begleiteter Umgang: Ich möchte begleiteten Umgang mit meinem Kind. Das Jugendamt unterstützt mich aber nicht dabei. Was kann ich tun?
Es empfiehlt sich, zunächst noch einmal das Gespräch mit dem Jugendamt zu suchen und gegebenenfalls auch schriftlich einen Antrag auf begleiteten Umgang zu stellen. Sollte das Jugendamt weiterhin keine Unterstützung leisten und keinen Träger für die begleiteten Umgänge suchen, besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf begleiteten Umgang beim Familiengericht zu stellen. Das Familiengericht kann entscheiden, dass begleitete Umgänge stattfinden.
Allerdings sucht das Familiengericht nicht selbst einen Träger der Kinder- und Jugendhilfe aus, der die begleiteten Umgänge durchführt. Diese Aufgabe liegt weiterhin beim Jugendamt, welches einen Träger für den begleiteten Umgang sucht. Sollte das Jugendamt nicht in angemessener Zeit einen Träger finden, so können Sie sich an das Verwaltungsgericht wenden.
Wer noch mehr wissen möchte: Siehe auch Frage 7.2. und 7.4
Frage 7.4.: Begleiteter Umgang: Ich habe mich von meinem Mann getrennt. Die Kinder leben bei ihm. Das Familiengericht hat begleitete Umgänge angeordnet. Aber es tut sich nichts. Das Jugendamt handelt nicht. Was kann ich tun?
Zunächst sollte beim Jugendamt nachgefragt werden, was das Jugendamt bereits unternommen hat und aus welchem Grund noch immer kein begleiteter Umgang stattfinden konnte. Das Jugendamt kann die begleiteten Umgänge selbst durchführen oder einen Träger der Jugendhilfe damit beauftragen. Es empfiehlt sich nachzufragen, bei welchen Trägern das Jugendamt angefragt hat und ob es Sie dort auf die Warteliste gesetzt hat, falls aktuell kein freier Platz zur Verfügung steht. Wenn sich daraufhin nichts tut, kann das Familiengericht darüber informiert werden, dass die angeordneten begleiteten Umgänge immer noch nicht stattfinden konnten. Das Gericht kann allerdings selbst keinen Jugendhilfeträger beauftragen, da dies allein in den Aufgabenbereich des Jugendamtes fällt. Sie können natürlich selbst einen Träger suchen und diesen dem Jugendamt vorschlagen. Sollte das Jugendamt gar nicht handeln, können Sie sich auch an das Verwaltungsgericht wenden.
Wer noch mehr wissen möchte: Siehe auch Frage 7.2.
Frage 7.5.: Entfremdung: Mein Sohn ist seit einem Jahr in einer Pflegefamilie. Umgänge finden kaum statt. Ich habe das Gefühl, dass mein Sohn mir entfremdet wird. Was kann ich tun?
Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.
Zunächst ist es sinnvoll, zu prüfen, welche Vereinbarungen zu den Umgängen zu Beginn der Hilfe getroffen worden sind. Im Hilfeplan sollte festgehalten sein, wie oft und unter welchen Bedingungen der Umgang stattfinden sollte. Sind diese Vereinbarungen heute noch stimmig- und werden sie von jeder Seite, auch der eigenen, eingehalten? Unstimmigkeiten, und seien sie erst einmal nur ein Gefühl, sollten benannt werden. Der gemeinsame Rahmen dafür ist die - in der Regel halbjährliche - Hilfeplanung (§ 36 SGB VIII). In der Zwischenzeit ist der Kontakt zum Jugendamt möglich, nicht nur in seiner regelnden, ausführenden Funktion, auch in seiner beratenden. Bestehende Absprachen zwischen allen Beteiligten können noch einmal reflektiert und gegebenenfalls verändert oder auch neu vereinbart werden. Im Mittelpunkt sollten dabei die Bedingungen für eine gelingende Entwicklung des Kindes stehen. Werden diese von den Beteiligten unterschiedlich gesehen, kann eine fachliche Sicht/ Beratung von außen hilfreich sein. Diese kann das Jugendamt in seinem fachlichen Netzwerk initiieren. In Streitfällen kann auch durch eine Empfehlung an das Familiengericht eine gutachterliche Stellungnahme veranlassen. Ganz wichtig ist, dass auch die Aussagen des Kindes mit einzubeziehen ist.
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Frage 9.7.
8. Vormundschaft
Frage 8.1.: Vormundin: Meine Vormundin unterstützt mich nicht und erlaubt fast nichts. Was kann ich tun?
Deine Vormundin übt das Sorgerecht wie ein Elternteil aus und ist für Dich verantwortlich. Bis Du 18 Jahre alt bist hat sie die Aufgabe, wichtige Entscheidungen, die Dein Leben betreffen, zu fällen, wie zum Beispiel wo Du wohnst, wo Du zur Schule gehst oder ob eine ärztliche Behandlung gemacht werden soll (§ 1789 BGB). Die Vormundin soll die Entscheidungen so fällen, dass Sie für Deine Entwicklung und für Dein Wohlergehen förderlich sind. Deine Vormundin ist an deiner Seite!
Die Vormundin ist verpflichtet, sich regelmäßig mit Dir persönlich zu treffen (§ 1790 Absatz 3 BGB) und wichtige Entscheidungen mit Dir zu besprechen, damit sie Deine Interessen und Wünsche kennt und ihre Entscheidung daran orientieren kann (§ 1790 Absatz 1 BGB). Je älter und erwachsener Du wirst, desto mehr muss Deine Vormundin Deinen Wunsch nach Eigenverantwortung und Selbstständigkeit berücksichtigen und darf Entscheidungen nicht einfach über Deinen Kopf hinweg treffen (§ 1790 Absatz 2 BGB).
Wenn Du mit einer Entscheidung Deiner Vormundin nicht einverstanden bist, kannst Du sie nach den Gründen für die Entscheidung fragen. Sie wird Dir ihre Gründe erklären. In diesem Gespräch kannst Du auch erklären, was Dir wichtig ist oder was Du nicht möchtest. Die Vormundin wird versuchen, mit Dir eine Einigung zu finden.
Wenn Du Dich bei dem Gespräch mit Deiner Vormundin nicht gehört fühlst oder Unterstützung brauchst, kannst Du eine Person, der Du vertraust, bitten mit Deiner Vormundin zu sprechen oder Dich bei Deinem Gespräch zu begleiten. Das kann jemand aus Deiner Wohngruppe, Deiner Pflegefamilie, aus dem Jugendamt oder auch jemand vom Betreuungsgericht sein. Du kannst Dich auch an eine unabhängige Ombudsstelle wenden. Die Ombudsperson berät Dich und kann mit Dir zusammen überlegen, welche Möglichkeiten es für Dich gibt. Die zuständige Ombudsstelle findest Du unter: www.ombudschaft-jugendhilfe.de
Wenn Du große Schwierigkeiten mit Deiner Vormundin hast und schon 14 Jahre alt bist, kannst Du Dich auch beim Familiengericht beschweren (§ 60 FamFG). Dort wird man Dich und auch Deine Vormundin anhören. Wenn das Gericht zu dem Schluss kommt, dass die Vormundin erheblich gegen Deine Interessen handelt, kann es die Vormundschaft beenden (1804 BGB) und eine andere Vormundin für Dich bestellen.“
Allerdings ist die Vormundin gesetzlich verpflichtet, alle Entscheidungen im Sinne des Wohls des jungen Menschen zu treffen. Der Wechsel des Lebensortes für das Kind oder die Jugendliche ist eine weitreichende Entscheidung, die vorher gut geprüft und begründet werden muss. Vor allem der junge Mensch selbst, aber auch die leiblichen Eltern müssen von der Vormundin in diese Entscheidung einbezogen werden. Anders ist es, wenn es sich um eine Situation akuter Gefährdung des jungen Menschen handelt, in der zu seinem Schutz schnell gehandelt werden muss. Dann kann eine Inobhutnahme notwendig werden. Diese kann auch durch die Vormundin angeregt werden. Durchführen darf eine Inobhutnahme jedoch nur das zuständige Jugendamt, nicht der Vormund.
9. Inobhutnahme und Familiengericht
Frage 9.1.: Drohung mit Familiengericht: Das Jugendamt droht mir damit, dass sie das Familiengericht informieren, wenn ich keine Hilfe annehme. Was könnte dann passieren?
Das Jugendamt kann einen Antrag beim Familiengericht stellen, wenn es der Ansicht ist, dass im Falle der Ablehnung der angebotenen Hilfe eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Das Gericht überprüft daraufhin, ob eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt und welche Maßnahmen gegebenenfalls zu treffen sind, um die Gefahr abzuwenden. Zu beachten ist, dass die Trennung des Kindes von den Eltern nur als allerletztes Mittel zulässig ist, wenn keine anderen Hilfen mehr in Betracht kommen. Sollte das Jugendamt einen Antrag bei Gericht stellen, wird es einen Gerichtstermin geben, in dem die Eltern und die weiteren Beteiligten mündlich angehört werden. Zu den Beteiligten gehören auch das Jugendamt und meist eine Verfahrensbeiständin für das Kind. Es muss stets eine Anhörung des Kindes erfolgen, die aber in einem separaten Termin außerhalb der Gerichtsverhandlung gemeinsam mit der Verfahrensbeiständin stattfindet. Die Eltern können eine eigene Stellungnahme mit ihrer Sichtweise an das Gericht schicken. Eine Vertretung der sorgeberechtigten Eltern durch eine Anwältin für Familienrecht im Verfahren ist ratsam.
Wenn das Gericht der Ansicht ist, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, kann es Maßnahmen treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind (siehe § 1666 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BGB). Das Gericht kann zum Beispiel das Gebot aussprechen, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen. Auch das Sorgerecht kann vom Gericht teilweise oder vollständig entzogen werden. Allerdings sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur zulässig, wenn andere mildere Mittel nicht mehr ausreichen. Vor der Trennung des Kindes von der Familie muss versucht werden, die Gefahr für das Kind mit öffentlichen Hilfen abzuwenden, wie zum Beispiel durch Erziehungsberatung oder den Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe. Es kommt aber auch regelmäßig vor, dass das Gericht im Gegensatz zum Jugendamt keine Kindeswohlgefährdung sieht und nicht der Ansicht ist, dass Hilfen angenommen werden müssen.
Frage 9.2.: Inobhutnahme: Die Vormundin meiner Tochter droht mir, dass sie mir das Kind wegnimmt. Darf sie das?
Sie sollte nicht drohen, kann aber bestimmen, dass das Kind woanders wohnen soll. Eine Vormundin ist die rechtliche Vertretung, die anstelle der leiblichen Eltern einzelne oder alle Bereiche des Sorgerechtes für das Kind oder die Jugendliche, übernommen hat. Bedingung dafür ist eine vorher getroffene familiengerichtliche Entscheidung. Eine Vormundin ist dann verantwortlich für alle wichtigen Bereiche des täglichen Lebens, zum Beispiel Schulausbildung, Gesundheit, Sozialleistungen. Zum Sorgerecht gehört auch das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht. Dies gibt der Vormundin grundsätzlich das Recht, über den räumlichen Aufenthaltsort des jungen Menschen zu bestimmen.
Allerdings ist die Vormundin gesetzlich verpflichtet, alle Entscheidungen im Sinne des Wohls des jungen Menschen zu treffen. Der Wechsel des Lebensortes für das Kind oder die Jugendliche ist eine weitreichende Entscheidung, die vorher gut geprüft und begründet werden muss. Vor allem der junge Mensch selbst, aber auch die leiblichen Eltern müssen von der Vormundin in diese Entscheidung einbezogen werden. Anders ist es, wenn es sich um eine Situation akuter Gefährdung des jungen Menschen handelt, in der zu seinem Schutz schnell gehandelt werden muss. Dann kann eine Inobhutnahme notwendig werden. Diese kann auch durch die Vormundin angeregt werden. Durchführen darf eine Inobhutnahme jedoch nur das zuständige Jugendamt, nicht der Vormund.
Es kann aber auch sein, dass eine Vormundin nur für einzelne Lebensbereiche (zum Beispiel das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder die Gesundheitssorge) die Entscheidungen trifft und
die anderen Lebensbereiche weiterhin von den leiblichen Eltern entschieden werden. Dann wird sie als Ergänzungspflegerin bezeichnet. Eine Vormundin (egal ob frei, amtlich oder ehrenamtlich) ist für den jungen Menschen verantwortlich und trägt wichtige Entscheidungen der Lebenswelt, im Interesse des Kindes, mit.
Auch wenn die elterliche Sorge bei einer Vormundin liegt, haben die leiblichen Eltern das Recht und die Pflicht, ihr Kind in regelmäßigen Abständen zu sehen (Umgangsrecht) und sich regelmäßig über die Entwicklung zu informieren. Das gilt auch, wenn eine Vormundin eingesetzt wurde. Auch der junge Mensch hat ein Umgangsrecht mit seinen Eltern (§ 1684 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Liegt jedoch eine Kindeswohlgefährdung vor, kann das Familiengericht auf Anregung des Jugendamts das Umgangsrecht der leiblichen Eltern oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen (§ 1683 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch). Das Familiengericht kann in diesem Fall anordnen, dass ein Umgang zwischen Eltern und jungen Menschen nur unter Begleitung von Dritten (zum Beispiel durch Träger der Jugendhilfe oder einen Verein) stattfinden darf.
Frage 9.3.: Inobhutnahme: Mein Sohn soll in Obhut genommen werden. Ich will das nicht – was kann ich tun?
Es besteht die Möglichkeit, der Inobhutnahme zu widersprechen. Wenn Sie der Inobhutnahme widersprechen, darf das Jugendamt Ihren Sohn nur in Obhut nehmen, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl Ihres Kindes dies erfordert und eine Entscheidung des Familiengerichts nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. In diesem Fall sind Sie als Personensorge-/Erziehungsberechtigter unverzüglich über die Inobhutnahme zu informieren und eine Entscheidung des Familiengerichts ist durch das Jugendamt einzuholen. Das Familiengericht entscheidet, ob eine Rückführung des Kindes stattfindet oder ob es weiterhin in Obhut des Jugendamtes bleibt. Wir empfehlen für den Fall eines Gerichtsverfahrens die Beauftragung einer Rechtsanwältin.
Sollten Sie der Inobhutnahme nicht widersprechen, so hat das Jugendamt unverzüglich mit Ihnen im Hilfeplanverfahren zu besprechen, welche Hilfen eingesetzt werden sollen.
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Fragen 9.1 und 9.2
Frage 9.4.: Kontaktverweigerung: Mein Kind wurde vom Jugendamt in Obhut genommen. Nun darf ich keinen Kontakt zu ihm haben. Ist das rechtens?
Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Der Umgang darf nur dann eingeschränkt oder (kurzzeitig) ausgeschlossen werden, wenn alle Beteiligten zugestimmt haben. Dies sollte möglichst schriftlich im Hilfeplan festgehalten werden.
Sollte das Jugendamt gegen Ihren Willen einen Umgangsausschluss empfehlen, so muss es einen Antrag beim Familiengericht stellen. In diesem Fall ist durch das Gericht zu prüfen, ob durch die Umgänge das Kindeswohl ernsthaft beeinträchtigt wäre und ob aus diesem Grund ein Umgangsausschluss oder eine Einschränkung der Umgangskontakte erforderlich ist. Nur wenn kein anderes wirksames Mittel in Betracht kommt, kann das Gericht einen Umgangsausschluss beschließen, der aber eine zeitliche Begrenzung enthalten sollte. Zuvor muss immer vom Gericht geprüft werden, ob nicht zum Beispiel ein begleiteter Umgang in Frage kommt.
Auch Eltern können sich an das Familiengericht wenden, wenn das Jugendamt oder eine Einrichtung/ Pflegefamilie den Umgang verweigert. Ebenso ist ein kurzzeitiger Ausschluss des Umgangsrechts, zum Beispiel um die Integration in eine Pflegefamilie oder eine Wohngruppe zu ermöglichen, gegen den Willen der Eltern nur durch Beschluss des Familiengerichts zulässig.
Auch die Pflegefamilie oder die Wohngruppe darf nicht einseitig Regelungen des Umgangs festlegen.
Frage 9.5.: Inobhutnahme: Ich will mich in Obhut nehmen lassen. Aber nicht in meiner Stadt, sondern woanders. Darf ich das?
Wenn Du für Dich die Entscheidung getroffen hast, Dich in Obhut nehmen zu lassen, ist es zunächst egal an welches Jugendamt Du Dich wendest. Zu Deinem Schutz muss zunächst das Jugendamt handeln, in dessen Gebiet Du Dich zum Zeitpunkt deiner Bitte um Inobhutnahme, aufhältst. Jedes Jugendamt ist, wenn Du darum bittest, gesetzlich dazu verpflichtet, Dich in Obhut zu nehmen (§42 Abs.1.S. 1 Nr.1 SGB VIII).
Im weiteren Verlauf der Inobhutnahme übernimmt dann schließlich Dein tatsächlich örtlich zuständiges Jugendamt. Dies ist in der Regel das Jugendamt der Stadt/ des Landkreises, in dem Deine Eltern/Deine Sorgeberechtigten und Du leben.
Frage 9.6.: Familiengericht: Meine Eltern streiten sich über das Sorgerecht für mich. Welche Rechte habe ich beim Familiengericht eigentlich?
Das Gericht muss Dich persönlich anhören und sich einen persönlichen Eindruck von Dir verschaffen. Du bekommst einen eigenen Termin ohne Deine Eltern. Außerdem soll das Gericht Dich über den Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Gerichtsverfahrens in einer geeigneten und Deinem Alter entsprechenden Weise informieren und Dir Gelegenheit geben, Dich zu äußern.
Darüber hinaus sollte das Gericht Dir eine sogenannte Verfahrensbeiständin bestellen. Diese Person hat Deine Interessen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Vor dem Gerichtstermin wird die Verfahrensbeiständin sich mit Dir treffen und in Ruhe mit Dir sprechen. Das Gericht kann der Verfahrensbeiständin außerdem die Aufgabe übertragen, Gespräche mit Deinen Eltern und anderen Bezugspersonen von Dir zu führen und Vorschläge für eine Lösung des Verfahrens zu machen. Die Verfahrensbeiständin wird auch dabei sein, wenn Du die Anhörung mit der Richterin hast. Diese findet meistens im Büro der Richterin statt und nicht im Gerichtssaal.
Frage 9.7.: Inobhutnahme: Mein Kind ist in Obhut genommen worden. Ich erfahre gar nichts mehr. Welche Rechte habe ich?
Grundsätzlich hat das Jugendamt die Eltern (Personensorgeberechtigten) unverzüglich von der Inobhutnahme zu informieren, aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen (§ 42 Abs. 3 SGB VIII).
Das heißt, die Eltern haben das Recht, zu erfahren, wie es dem Kind geht und wie die weitere Hilfeplanung aussehen soll. Wenn das Jugendamt darüber nicht informiert, können sich die Eltern an die Ombudsstelle, eine Rechtsberatung oder die Vorgesetzten der Sachbearbeiterin wenden.
Frage 9.8.: Inobhutnahme: Uns wurden die Kinder weggenommen, aber es spricht niemand mit uns. Wir wissen nicht, wie es weitergeht und was wir nun tun dürfen.
Wenn Kinder oder Jugendliche in Obhut genommen wurden, geschieht dies, weil das Jugendamt nach einer Überprüfung zu dem Ergebnis kam, dass das Wohl des Kindes in der Familie akut gefährdet ist und eine Inobhutnahme zunächst die einzige Möglichkeit darstellt, die Gefahr abzuwenden (§ 8a SGB VIII).
Die zuständigen Mitarbeiterinnen des Jugendamtes müssen aber die Personensorge- und Erziehungsberechtigten so schnell wie möglich darüber informieren, dass die Kinder in Obhut genommen wurden. Sie müssen die Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben so erklären, dass sie verständlich, nachvollziehbar und wahrnehmbar sind (§ 42 Abs. 3 SGBVIII). Das heißt, dass die Eltern oder Personensorgeberechtigten umfassend über die Inobhutnahme aufgeklärt werden. Auch bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos sollten sie mit einbezogen werden.
Das heißt, es muss Gespräche mit den Eltern zur Inobhutnahme und den Gründen geben. Wenn sich die Eltern nicht an ein solches Gespräch erinnern können oder die Gründe nicht verstanden haben, können sie sich an das zuständige Jugendamt wenden und die Mitteilung der konkreten Gründe für die Inobhutnahme einfordern. Das Jugendamt ist dazu verpflichtet, die Gründe verständlich zu machen.
Die Personensorgeberechtigten können der Inobhutnahme auch widersprechen. Nach einem Widerspruch gibt es die Möglichkeit, dass die Kinder wieder an ihre Personensorge- oder Erziehungsberechtigten übergeben werden. Das passiert aber nur dann, wenn nach Einschätzung des Jugendamtes keine akute Gefährdung für das Wohl der Kinder besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten eine bestehende Gefährdung abwenden können (§ 42 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Ob die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme widersprechen möchten, können sie also auch besser entscheiden, wenn die Gründe hierfür bekannt sind und sie so selbst einschätzen können, ob die Gefahr abgewendet werden kann.
Liegt nach einem Widerspruch der Eltern aus Sicht des Jugendamtes weiterhin eine Gefährdung des Kindeswohles vor, muss das Jugendamt unverzüglich eine Entscheidung des Familiengerichtes herbeiführen.
Wenn die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht widersprechen, muss vom Jugendamt unverzüglich ein Hilfeplanverfahren eingeleitet werden (§42 Abs. 3 SGB VIII). Das bedeutet, dass es so schnell wie möglich ein Hilfeplangespräch gibt, bei dem mit ihnen gemeinsam besprochen wird, was sie tun können, damit die Kinder wieder in die Familie zurückkommen können (Rückführung). Manchmal sind das aber Ziele, die sich nicht so schnell umsetzen lassen und Zeit brauchen. Zum Beispiel wenn die Eltern selbst professionelle Unterstützung brauchen, um sich wieder umfassend um ihre Kinder in der Familie kümmern zu können. Dann wird beim Hilfeplangespräch auch besprochen, wie und wo die Kinder in nächster Zeit leben werden und was diese jetzt brauchen. In Hilfeplangesprächen sollte immer auch besprochen werden, wie die Eltern weiterhin Kontakt mit ihren Kindern haben können, wie oft sie sich sehen oder ob es Beurlaubungen gibt. Manchmal wird auch festgelegt, wann sie miteinander telefonieren können.
Frage 9.9.: Inobhutnahme: Meine Nichte will nicht mehr zurück zur Familie. Was kann ich tun?
Kinder und Jugendliche können sich in einer solchen Situation in einem Kinder- und Jugendschutzdienst, einer Erziehungsberatungsstelle, beim Sorgentelefon, einer Ombudsstelle oder auch dem Jugendamt zu den dahinterstehenden Problemen beraten lassen, ohne dass ihre Eltern darüber informiert werden (§ 8 Abs. 3 SGB VIII).
Diese Stellen können die Kinder und Jugendlichen auch darüber informieren, dass es die Möglichkeit gibt, sich als „Selbstmelderin“ vom Jugendamt in Obhut nehmen zu lassen. Das bedeutet, dass Kinder und Jugendliche in einer Einrichtung aufgenommen werden, in der dann mit den Fachkräften vor Ort, dem Jugendamt und den Eltern zusammen geschaut wird, wie es weitergehen kann.
Wenn Kinder oder Jugendliche sich dazu entscheiden, in Obhut genommen werden zu wollen, dann wenden sie sich entweder direkt an ein Jugendamt, eine Inobhutnahme-Einrichtung oder an die Polizei. Es ist gut, wenn es eine Vertrauensperson gibt, die unterstützen kann. Es geht aber auch allein.
Das Jugendamt ist dann verpflichtet, eine minderjährige Selbstmelderin erst einmal vorläufig sicher unterzubringen (siehe § 42 Abs. 1 SGBVIII). Das bedeutet, dass das Jugendamt der Bitte des Kindes oder der Jugendlichen um Inobhutnahme immer erst einmal nachkommen muss. Außerdem ist das Jugendamt, zu dem das Kind oder die Jugendliche geht, verpflichtet, die Inobhutnahme durchzuführen. Es muss also nicht das Jugendamt sein, welches eigentlich zuständig wäre (§ 87 SGB VIII).
Auch als Angehörige oder Vertrauensperson eines Kindes und Jugendlichen, die nicht mehr nach Hause möchte oder in anderen belasteten Situationen ist, können Sie sich bei einem Kinder- und Jugendschutzdienst in ihrer Umgebung beraten lassen, wie sie das Kind beziehungsweise die Jugendliche am besten unterstützen können. Bei Fragen zu den Rechten von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe können Sie sich bei einer Ombudsstelle beraten lassen.
Wer mehr wissen möchte: siehe auch Frage 9.5.
10. Kostenbeiträge und Geldleistungen in den Hilfen zur Erziehung
Frage 10.1.: Kostenheranziehung Eltern: Ich bin ein Vater und meine Tochter wird in ein Heim kommen. Muss ich dann an das Jugendamt etwas zahlen für die Unterbringung meiner Tochter?
Für die Unterbringung in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform werden Kosten erhoben. Lediglich ambulante Maßnahmen (zum Beispiel eine Familienhilfe) sind kostenfrei.
In § 92 SGB VIII ist geregelt, wer kostenbeitragspflichtig ist. Nach § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII sind dies die Eltern. Hier spielt es keine Rolle, ob die Eltern sorgeberechtigt sind oder nicht. Die Kostenheranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch einen sogenannten Leistungsbescheid festgesetzt wird.
Die Erhebung eines Kostenbeitrags darf erst ab dem Zeitpunkt erfolgen, ab welchem dem Kostenpflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht aufgeklärt wurde.
Kostenbeitragspflichtige Eltern sind aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang heranzuziehen. Hierzu gibt es eine Kostenbeitragsverordnung, die nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge festlegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt als Grenze der Heranziehung anzusehen ist, die nicht unterschritten werden darf.
Wer kein Einkommen erzielt, kann auch nicht zu den Kosten herangezogen werden. In bestimmten Fällen kann außerdem von der Heranziehung abgesehen werden, zum Beispiel wenn sie zu einer Gefährdung von Ziel und Zweck der Leistung führen würde oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergeben würde.
Das Kindergeld muss immer eingesetzt werden.
Wer noch mehr wissen möchte: BVerwG, Urteil vom 19.08.2010, 5 C 10.09, JAmt 2011, 208= NJW 2011, 97
Frage 10.2.: Kindergeld: Unser Kind soll ins Heim. Nun soll ich das Kindergeld ans Jugendamt abgeben. Ist das rechtens?
Ja, nach § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist das Kindergeld als Kostenbeitrag zu zahlen, wenn Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht werden, das Kind also stationär (im "Heim") leben soll.
Frage 10.3.: Kostenheranziehung junger Menschen: Ich wohne in einer Wohngruppe und habe Einkommen. Nun soll ich 75 % davon abgeben. Ist das rechtens?
Bis zum 09.06.2021 war das geltendes Recht.
Zum 1.1.2023 wurde die Kostenheranziehung junger Menschen, die in einer Wohngruppe leben abgeschafft! Das gilt auch für diejenigen, die in einer Mutter/Vater-Kind Einrichtung leben. Auch Ehepartnerinnen oder Lebensgefährten dürfen nicht mehr zu den Kosten herangezogen werden. Geldleistungen, die dem gleichen Zwecke wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, zählen jedoch nicht zum Einkommen und sind weiterhin unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen.
Seit dem 01.01.2023 gilt jedoch auch hier, dass alle deren Ausbildung z.B. über die Agentur für Arbeit (SGB III/Reha) gefördert wird ihr Ausbildungsgeld nichtmehr komplett ans Jugendamt abgeben müssen. Es darf ein Teil dieses Geldes behalten werden, und zwar von denjenigen,
• die eine Berufsvorbereitung machen oder Berufsausbildungsbeihilfe (§ 56 SGB III) bekommen. Hier dürfen 109 € behalten werden. Diese 109 € sind der Betrag für „sonstige Bedürfnisse“ (vgl. § 61 Absatz 2 Satz 1 und § 62 Absatz 3 Satz 1 SGB III)
• die Ausbildungsgeld nach den § 122 SGB III erhalten (z.B. für eine geschützte Berufsausbildung, geschützte Reha- oder Bildungsmaßnahme). Hier dürfen nun monatlich 126 € des Ausbildungsgeldes behalten werden (vgl. § 123 Satz 1 Nummer 2, § 124 Nummer 2 und § 125 SGB III).
Das Gesetz zur Kostenheranziehung (§§ 91ff SGB VIII) wurde bereits einmal geändert.
Bis zum 09.06.2021 mussten maximal 75% des Einkommens abgegeben werden. Seit dem 10.06.2021 gilt eine Gesetzesänderung und der Kostenbeitrag beträgt nun höchstens 25% aus dem aktuellen Einkommen.
Bis zum 09.06.2021 sind Kostenbescheide, in denen 75% des Einkommens gefordert werden richtig, wenn sie sich auf das Einkommen des Vorjahres beziehen.
Beispiel: Wenn im Vorjahr nur in 4 Monaten Einkommen erzielt wurde, muss man dieses Einkommen auf 12 Monate verteilen und davon 75% abgeben. Man kann jedoch einen begründeten Antrag auf Herabsetzung des Kostenbeitrags stellen. Dabei kommt es auf die Ziele an, die mit der Arbeitstätigkeit erreicht werden sollen. So kann ein Grund für einen geringeren Kostenbeitrag sein, wenn zum Beispiel für den Führerschein oder die Ausstattung oder Kaution der ersten eigenen Wohnung gespart wird. Das ist eine Ermessensentscheidung des Jugendamtes.
Seit der Gesetzesänderung vom 10.06.2021 beträgt der Kostenbeitrag höchstens 25% aus dem aktuellen Einkommen. Das bedeutet, dass vom Ausbildungsgeld oder dem Geld aus einem Job maximal 25% ans Jugendamt abgegeben werden müssen. Diese 25% müssen jeden Monat neu berechnet werden, wenn das Einkommen nicht jeden Monat gleich ist.
Ein Kostenbeitrag muss nicht gezahlt werden für:
• Einkommen aus Schülerjobs oder Praktika mit einer Vergütung bis zu einer Höhe von 150 € monatlich
• Einkommen aus Ferienjobs
• Einkommen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder
Dieses Einkommen darf daher komplett behalten werden. Behalten werden dürfen auch 150 € monatlich als Teil der Ausbildungsvergütung. Wichtig: Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten zählen nach der neuen rechtlichen Regelung auch
• das Freiwillige Soziale Jahr
• das Freiwillige ökologische Jahr
• das Freiwillige kulturelle Jahr und
• der Bundesfreiwilligendienst.
Bei diesen Tätigkeiten wird in einigen Fällen ein Verpflegungsgeld gezahlt. Auch dies darf vom Jugendamt nicht als sogenannte zweckidentische Leistung herangezogen werden.
Neu ist auch, dass keine Kostenheranziehung mehr aus eventuell vorhandenem Vermögen erfolgen darf. Geerbtes Geld zum Beispiel darf man vollumfänglich behalten.
Alle neuen Regelungen zur Kostenheranziehung (25 % aus aktuellem Einkommen) gelten nur für die Zeit vom 10.06.2021- 31.12.2022. Für die Zeit davor gilt die alte Regelung (75% aus dem Vorjahr).
Wer mehr wissen möchte: siehe auch die Fragen 10.4. und 10.5.
Frage 10.4.: Kostenheranziehung junger Menschen: Ich lebe in einer WG und habe einen Bundesfreiwilligendienst abgeleistet. Nun will das Jugendamt im Nachhinein über 600 Euro von mir haben. Ist das rechtens?
Hier ist darauf zu achten, wann der Bescheid über die Kostenheranziehung erstellt wurde.
Am 10.06.2021 gab es eine Gesetzesänderung.
Für alle Bescheide, die bis zum 09.06.2021 erstellt wurden, gilt Folgendes: Wenn die Arbeitstätigkeit in erster Linie dem sozialen Engagement dient, zum Beispiel der Bundesfreiwilligendienst oder ein Freiwilliges Soziales Jahr, kann von der Kostenheranziehung ganz oder teilweise abgesehen werden. Das sind jedoch Einzelfallentscheidungen, die man beantragen muss und begründen sollte. Dem Jugendamt steht hier ein Ermessen zu. Das Jugendamt kann den Kostenbeitrag verringern oder komplett auf die Kostenheranziehung verzichten, wenn das Einkommen „aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Jugendhilfe dient“. Das ist bei einem Freiwilligen Sozialen Jahr zumeist so und kann zum Beispiel auch beim Bundesfreiwilligendienst der Fall sein. Bei Ablehnung des Antrags kann Widerspruch eingelegt werden. Bei diesen Tätigkeiten wird in einigen Fällen ein Verpflegungsgeld gezahlt. Dies darf vom Jugendamt nicht als sogenannte zweckidentische Leistung herangezogen werden.
Man kann auch bei Einkünften aus anderen Arbeitsverhältnissen einen begründeten Antrag auf Herabsetzung des Kostenbeitrags stellen. Es kommt auf die Ziele an, die mit der Arbeitstätigkeit erreicht werden sollen, wenn Ihr zum Beispiel für den Führerschein oder die Ausstattung oder Kaution der ersten eigenen Wohnung sparen wollt. Auch das ist eine Ermessensentscheidung.
Für alle Bescheide, die nach dem 10.06.2021 erstellt wurden, gilt Folgendes:
Der Bundesfreiwilligendienst oder ein Freiwilliges Soziales Jahr fallen unter die sogenannten ehrenamtlichen Tätigkeiten (§ 94 Abs. 6 Satz 3 Nr.3 SGB VIII). Seit der Gesetzesänderung muss für diese Tätigkeiten kein Kostenbeitrag mehr erhoben werden. Bei diesen Tätigkeiten wird in einigen Fällen ein Verpflegungsgeld durch den Arbeitgeber gezahlt. Dies darf vom Jugendamt nicht als sogenannte zweckidentische Leistung herangezogen werden.
Sollte das Jugendamt dazu trotzdem einen Kostenbeitrag erheben, kann gegen den Bescheid ein Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch muss schriftlich innerhalb eines Monats eingelegt werden. Es gibt hierfür allerdings keine Formulare. Der Widerspruch kostet kein Geld.
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Frage 10.3. und 10.5. oder unter www.ombudschaft-jugendhilfe.de
Frage 10.5.: Kostenheranziehung junger Menschen: Ich lebe in einem Heim. Bei mir hat das Jugendamt jahrelang zu viel Geld von meinem Ausbildungsgehalt abgezogen. Kann ich das zurückfordern?
Junge Volljährige, die in einer Wohngruppe, im betreuten Einzelwohnen oder bei Pflegeeltern leben, mussten sich bis zum 31.12.2022an den Kosten der Unterbringung beteiligen. Zum 01.01.2023 wurde die Kostenheranziehung junger Menschen abgeschafft.
Am 10.06.2021 gab es bereits eine erste Gesetzesänderung. Bis zum 09.06.2021 mussten höchstens 75% des Einkommens abgegeben werden. Ab dem 10.06.2021 beträgt der Kostenbeitrag nun höchstens 25% aus dem aktuellen Einkommen (gem. § 94 Abs. 6 S. 2 SGB VIII). Bis zum 09.06.2021 galt das sogenannte Vorjahresprinzip. Das heißt, dass immer das Einkommen des vorherigen Jahres genommen werden musste und nicht das aktuelle Einkommen wie jetzt.
Hier sind häufig Fehler passiert und die Kostenheranziehung wurde nicht aus dem Einkommen des Vorjahres berechnet (Einkünfte des gesamten Jahres geteilt durch 12 Monate). Grundlage hierfür ist § 93 Abs. 4 SGB VIII.
Hiergegen kann man Widerspruch einlegen innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids. Auf der Homepage des Bundesnetzwerks Ombudschaft (www.ombudschaft-jugendhilfe.de) findet Ihr auch einen Vorschlag, wie dieser Widerspruch wegen Missachtung des Vorjahresprinzips aussehen könnte und eine Ausfüllhilfe dazu.
Und wenn die Frist schon abgelaufen ist…. geht auch noch was:
Wenn erst später klar wird, dass der Kostenheranziehungsbescheid falsch ist, kann ein Antrag an das Jugendamt gestellt werden, mit der Bitte den Bescheid zu ändern. Rechtsgrundlage hierzu ist der § 44 SGB X.
Hierzu gibt es ein sehr ausführliches Rechtsgutachten unter: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/2021/08/4999/
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Frage 10.3.
Frage 10.6.: Geldleistungen: Mein Kind ist weit weg in einem Heim/ Pflegefamilie untergebracht. Zahlt das Jugendamt die Fahrtkosten für ihn oder mich?
In der Regel übernehmen die Jugendämter die Fahrtkosten des Kindes für Wochenend- oder Ferienbeurlaubungen zu den Eltern. Schwieriger ist es, wenn Eltern ihre Fahrtkosten vom Jugendamt erstattet bekommen wollen, wenn sie ihr Kind in der Einrichtung besuchen. Fahrtkosten gehören zu den sogenannten "Annexleistungen". Darunter sind finanzielle Leistungen zu verstehen, die ergänzend erbracht werden ("Annex" bedeutet "anhängend", "ergänzend"). Bei stationären Hilfen zur Erziehung kommen die Jugendämter auch für den laufenden notwendigen Unterhalt der betreffenden Kinder auf und können auch einmalige Beihilfen und Zuschüsse gewähren. Gesetzlich verankert ist das im §39 SGB VIII. Fahrtkosten gehören zu den Beihilfen, egal wie regelmäßig diese Fahrten stattfinden. Allerdings gibt es in allen Jugendämtern Richtlinien darüber, welche (Fahrt-) Kosten übernommen werden und welche nicht und ob es dafür einen Antrag braucht. Diese Richtlinien können entweder beim Jugendamt selbst oder beim Jugendhilfeausschuss erfragt werden. Jeder hat das Recht, diese Richtlinien einzusehen.
Wichtig ist dabei noch: Müssen Fahrtkosten (oder andere Beihilfen) separat beantragt werden, dann bei dem für die Hilfe zuständigen Jugendamt. Wenn das Kind weiter weg untergebracht ist, dann muss sich das Jugendamt bei der Frage in welcher Höhe Fahrtkosten erstattet werden, an die Richtlinien des jeweiligen Jugendamtes halten, wo das Kind in einem Heim/Pflegefamilie vor Ort untergebracht ist.
Wir empfehlen, im Hilfeplan schriftlich vereinbaren zu lassen, wo und wie die Besuche zwischen Eltern und Kindern stattfinden und wer die Fahrtkosten übernimmt. Wenn das Ziel der Hilfe ist, dass das Kind wieder bei den Eltern lebt, sind die Chancen größer, dass das Jugendamt auch die Fahrtkosten der Eltern übernimmt, wenn die Eltern ihr Kind - neben den Beurlaubungen des Kindes zu den Eltern - regelmäßig in der Einrichtung besuchen, um die Beziehung zueinander zu fördern. Und zumindest die Fahrtkosten der Eltern zu den Hilfeplangesprächen werden in der Regel übernommen, wenn sich die Eltern dies finanziell nicht leisten können.
Frage 10.7.: Geldleistungen: Ich lebe in einer Wohngruppe und soll bald ausziehen. Das Jugendamt hat mir gesagt, dass ich 700 Euro für die Einrichtung der Wohnung bekommen soll. Das reicht aber niemals. Was kann ich tun?
Beim Auszug aus der Jugendhilfeeinrichtung in eine eigene Wohnung braucht man zumeist Möbel, Kaution und Haushaltsgegenstände. Da kann schnell ein größerer Betrag zusammenkommen. Dann am besten frühzeitig vor dem geplanten Auszug beim Jugendamt informieren, ob es den Umzug mit einem Pauschalbetrag finanziell unterstützt. Die Beihilfe (oftmals auch „Erstausstattungspauschale“ genannt) kann beim Jugendamt beantragt werden. Das Jugendamt muss dann überprüfen, ob die Beihilfe bewilligt werden kann.
Falls Du Arbeitslosengeld II beziehst, kannst Du auch beim zuständigen Jobcenter Gelder für die Einrichtung beantragen. Eine Erstausstattungspauschale wird aber insgesamt nur einmal (vom Jobcenter oder vom Jugendamt) gewährt.
Wie die Erstausstattungspauschale dann einzuteilen ist, ist von Jugendamt zu Jugendamt unterschiedlich. Manche Jugendämter haben genaue Vorgaben, welcher Betrag für welche Art der Anschaffung vorgesehen ist (zum Beispiel Umzugstransporter, Tisch, Stühle, Bett, …). Andere Jugendämter bewilligen einen Gesamtbetrag und der junge Mensch soll ihn dann selbst einteilen.
Wichtig ist, dass sich die Höhe des Pauschalbetrags nicht an den Vorgaben des zuständigen Jugendamtes orientiert, sondern an denen der Stadt/ Kommune, in der der junge Mensch tatsächlich lebt und umzieht. Denn hiervon ist die Höhe der Lebenserhaltungskosten abhängig. Und das entspricht dann dem Grundsatz der Gleichbehandlung.
Falls Du merkst, dass der Pauschalbetrag für die notwendigen Dinge nicht ausreicht, dann suche frühzeitig den Kontakt zum Jugendamt und beantrage, dass der Pauschalbetrag angepasst wird. Eine Auflistung der notwendigsten Dinge und den jeweilig anfallenden Kosten sind dabei für die Argumentation hilfreich.
11. Antragstellung, Bescheid und Rechtsmittel
Frage 11.1.: Keine Hilfe: Mir war eine Hilfe zur Erziehung bereits mündlich zugesagt. Nun aber soll ich doch keine Hilfe bekommen. Was kann ich tun?
Dagegen ist genauso der Widerspruch möglich, wie gegen eine schriftliche "Absage". Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Zustellung möglich. Wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung (am Ende des Bescheids) enthält, dann verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr. Es ist es ratsam einen schriftlichen Bescheid anzufordern. Darauf gibt es einen Anspruch (§ 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Somit gibt es einen schriftlichen Nachweis, in dem auch die ablehnenden Gründe genannt werden müssen. Neben der Nachvollziehbarkeit der Gründe für sich selbst hat das den Vorteil, dass die Mitarbeitenden sich noch einmal Gedanken über die Hilfe machen, und die Beteiligten im besten Fall beraten und zu einem Hilfeplangespräch einladen, um den Hilfebedarf zu klären.
Frage 11.2.: "Fachteam“: Meine Jugendamtsmitarbeiterin sagt, dass sie zwar die Hilfe bewilligen will, aber noch in ein sogenanntes „Fachteam“ muss, um eine Entscheidung mit ihrem Team gemeinsam zu treffen. Kann sie nicht selbst die Hilfe bewilligen?
Die fallführende Fachkraft im Jugendamt ist für die Entscheidung über eine Hilfe verantwortlich.
In der Praxis ist es gängig, dass eine Hilfe zur Erziehung nicht von einer Fachkraft allein entschieden und gestartet wird (§ 36 Abs.2 Satz 1, SGB VIII). Die Hilfegewährung soll immer im „Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte“, also in Absprache mit mindestens zwei Fachkräften, abgesichert und auch endgültig entschieden werden.
Die Fachkräfte treffen sich regelmäßig, um gemeinsam über neue Hilfen zu sprechen und darüber zu entscheiden. Dieses Zusammentreffen nennt man zum Beispiel „Fachteam“. Es soll die Qualität der neuen Hilfen sicherstellen und es sollen dadurch weitere, alternative Ideen geschaffen und bedacht werden. Es kann sein, dass die Entscheidung nun nach Beratung allein von Deiner Fachkraft, oder in der Beratung gemeinsam durch die Fachkräfte getroffen wird. Die Wirtschaftliche Jugendhilfe kann beratend hinzugezogen werden, hat aber keine Entscheidungskompetenz.
Frage 11.3.: Hilfegewährung: Ich möchte Hilfe durch das Jugendamt. Das weigert sich aber, Hilfe zu leisten, weil ich die „richtigen Formulare“ nicht ausgefüllt habe. Ist das rechtens?
Nein, das ist nicht rechtens. Die Praxis einiger Jugendämter, ohne schriftlichen Antrag auf einem Formblatt überhaupt nicht tätig zu werden und ein Hilfegespräch einzuberufen oder einen ablehnenden Bescheid zu erstellen, entspricht nicht dem vorgeschriebenen Verwaltungsverfahren.
Das Gesetz sieht für die Kinder- und Jugendhilfe keine förmliche Antragstellung auf Hilfe vor. Bei Kenntnis von Hilfebedarf besteht vielmehr die Verpflichtung der Fachkräfte Hilfe anzubieten und ggf. auch werbend auf Inanspruchnahme von Hilfe hinzuwirken. Deshalb ist aus rechtlicher Perspektive vor allem wichtig, dem Jugendamt den Hilfebedarf zur Kenntnis zu geben. Diese Mitteilung kann mündlich und schriftlich geschehen. Meist ist dennoch ein kurzer Brief sinnvoll. Hierdurch wird z.B. nachweisbar, wann für das Jugendamt die Frist zum Handeln begann. In dem Brief sollten die eigenen Kontaktdaten stehen und in wenigen Sätzen, warum man Hilfe vom Jugendamt haben möchte. Ausführliche Darstellungen sind nicht nötig. Hierfür reicht es, auf das Gespräch mit der zuständigen Fachkraft zu warten, in dem diese gemeinsam mit den Leistungsberechtigten über Ihre Lebenslage reden wird.
Einige Jugendämter halten Formulare für Antragstellungen bereit, in der die Angabe verschiedener Daten bereits vorgesehen ist. So sollen Verwaltungsvorgänge vereinfacht und auf die Vollständigkeit der notwendigen Angaben hingewirkt werden. Sind solche Vordrucke vorhanden, sollen sie benutzt werden (§ 60 Abs. 2 SGB I). Eine Bearbeitung des „Antrags“ oder gar die Bewilligung von Hilfe darf aber vom Ausfüllen dieser Formulare nicht abhängig gemacht werden. Wurden ohne Verwendung der Vordrucke alle leistungserheblichen Tatsachen mitgeteilt, kann hieraus keine Ablehnung begründet werden.
Die Entscheidung des Jugendamts über die Bewilligung oder Ablehnung einer Hilfe ist ein Verwaltungsakt. Dieser kann schriftlich, mündlich, elektronisch oder in einer anderen Form erlassen werden (§ 33 Abs. 2 S. 1 SGB X) und muss eine Begründung enthalten (§ 35 Abs. 1 SGB X). Das heißt, grundsätzlich ist es auch möglich, dass die Fachkraft des Jugendamtes am Schluss eines Gesprächs mitteilt, dass sie z.B. keinen Hilfebedarf erkennt und deshalb den Antrag ablehnt.
Allerdings besteht das Recht auf eine schriftliche Bestätigung eines solchen mündlich erklärten Verwaltungsakts, wenn der Betroffene diesen unverzüglich verlangt (§ 33 Abs. 2 S. 2 SGB X). Das notwendige rechtliche Interesse an der Bestätigung ist gegeben, da zum Beispiel Überlegungen gegen die Entscheidung vorzugehen leichter anhand eines schriftlichen Bescheids getroffen werden können und so ein Nachweis der ablehnenden Entscheidung vorhanden ist. Bei einer mündlichen Ablehnung macht es meistens Sinn eine schriftliche Ablehnung zu verlangen.
Frage 11.4.: Bescheid: Ich möchte gegen eine Entscheidung des Jugendamts in Widerspruch gehen. Aber ich habe keinen Bescheid bekommen. Was kann ich tun?
Es empfiehlt sich zunächst, beim Jugendamt einen schriftlichen Bescheid anzufordern. Darauf besteht ein Anspruch (§ 33 Abs 2 Satz 2 SGB X). Nach Vorlage des Bescheids kann dann Widerspruch eingelegt werden.
Wenn das Jugendamt dennoch keinen Bescheid erlassen sollte, besteht die Möglichkeit, auch ohne einen Widerspruchsbescheid direkt beim Verwaltungsgericht zu klagen. Allerdings kann die Klage erst nach Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts eingereicht werden. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Untätigkeitsklage, die in § 75 VwGO geregelt ist. Eine Ausnahme gilt, wenn wegen besonderer Umstände des Falls eine kürzere Frist geboten ist.
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Frage 11.7.
Frage 11.5.: Befristung: Ich habe einen Bescheid für eine Familienhilfe vom Jugendamt bekommen. Diese Hilfe soll aber befristet sein auf ein Jahr. Ist das rechtens?
In § 31 Abs.1 Satz 2 SGB VIII ist festgelegt, dass die Familienhilfe „in der Regel auf längere Dauer“ angelegt ist. Dies bedeutet meistens zunächst einen Einsatzzeitraum von etwa 1 bis 2 Jahren. Die Familienhilfe kann aber durchaus auch länger gewährt werden.
Kurz vor Ablauf des Bewilligungszeitraums sollte – wie bereits vor der Bewilligung der Hilfe - ein erneutes Hilfeplangespräch anberaumt werden. In diesem sollten die Eltern zusammen mit der Familienhilfe und dem Jugendamt den bisherigen Verlauf der Hilfe, die Entwicklungen innerhalb der Familie und die Erreichung der anfangs aufgestellten Hilfeziele besprechen und beurteilen. Anhand dieser Beurteilungen und der Einschätzung vor allem der beteiligten Fachkräfte (Jugendamt und Familienhilfe) wird dann eine Prognose getroffen, ob die Hilfe geeignet gewesen ist und weiterhin benötigt wird. Nur wenn beides bejaht wird, wird die Hilfe auch verlängert.
Wer noch mehr zum Thema Familienhilfe wissen möchte: siehe auch Frage 6.1
Frage 11.6.: Keine Entscheidung: Ich habe vor zwei Monaten einen Antrag auf Hilfe beim Jugendamt gestellt. Es tut sich aber nichts. Was kann ich tun?
In der Praxis kommt es teilweise zu erheblichen Wartezeiten bis zur Entscheidung über den Hilfeantrag.
Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Öffentlich wird u. a. eine Überlastung der Jugendämter durch immer mehr Aufgaben bei zu geringem Personal. Gegenüber den in den Jugendämtern tätigen Fachkräften ist daher häufig auch aus ombudschaftlicher Perspektive Verständnis für die berufliche Situation und Belastung, ja teils hoher Respekt für den täglichen Einsatz unter schwierigen Bedingungen angezeigt.
Dennoch legitimieren solche Überlastungen aber Fristüberschreitungen im Einzelfall nicht, da vorrangig gilt, dass strukturelle / organisatorische Probleme von Behörden eben nicht zu Lasten der Leistungsberechtigten ausgetragen werden dürfen.
Für die Antragstellerinnen besteht neben der Option des Abwartens und des Drängelns das Recht, die Leistung entweder vor Gericht im Wege eines Eilverfahrens einzuklagen oder sie unter bestimmten Voraussetzungen sogar selbst zu beschaffen.
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Frage 11.8.
Frage 11.7.: Fristen: Gibt es Fristen für die Bearbeitung von Anträgen?
Jugendämter sind -wie andere Sozialleistungsträger auch- verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jede Berechtigte die ihr zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Eine konkrete Fristenregelung, was „zügig“ bedeutet oder die vorgibt, innerhalb welcher Zeit auf einen Leistungsantrag reagiert werden muss, gibt es für die Jugendämter jedoch nicht. Nur wenn das Jugendamt als Rehabilitationsträger, also im Rahmen von Eingliederungshilfe für Minderjährige mit einer (drohenden) seelischen Behinderung (§ 35a SGB VIII), tätig wird, gelten die deutlichen Zeitvorgaben des SGB IX.
Der Umgang mit Wartezeiten kann für Leistungsberechtigte sehr belastend sein. Aus den gerichtlichen Klagefristen sowie der Frist für die Untätigkeitsklage leitet man im Allgemeinen ab, dass eine Wartezeit von drei Monaten nach Antragstellung zu akzeptieren sind. Wenn aber besondere Dringlichkeitserfordernisse im Einzelfall eine schnellere Entscheidung nötig machen, muss das Jugendamt auch schneller entscheiden.
In solchen Eilfällen ist das Jugendamt am besten schon bei der Antragstellung auf das besondere Eilbedürfnis hinzuweisen und dieses ausführlich zu begründen. Gründe können zum Beispiel drohende Wohnungslosigkeit ohne Überbrückungsgelegenheit oder der bevorstehende Beginn eines Ausbildungsjahrs sein. Das Jugendamt ist verpflichtet, solche dringenden Gründe zu berücksichtigen und ggf. vor Ablauf der Frist zu entscheiden.
Je nach Einzelfall kann und muss auch darauf hingewiesen werden, bis wann die Entscheidung benötigt wird.
Sollte das Jugendamt signalisieren, dass es bis zu dem benannten Datum keine Entscheidung treffen wird und/oder den gesamten Hilfeprozess nicht ausreichend schnell in Gang setzen, ist es oft hilfreich anzukündigen, dass man anderenfalls einstweiligen Rechtschutz vor dem Verwaltungsgericht nehmen möchte. Manchmal reicht schon eine solche Ankündigung, damit das Jugendamt doch schneller entscheidet.
Sollte eine solche Ankündigung beim Jugendamt jedoch keine beschleunigte Bearbeitung des Antrags bewirken, kann ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht – oder korrekt ausgedrückt: ein Antrag auf Regelung im einstweiligen Anordnungsverfahren – durch einen selbst eingelegt werden.
Da die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Eilverfahren jedoch recht kompliziert sind, empfiehlt es sich durchaus, eine in dem Kinder- und Jugendhilferecht erfahrene Rechtsanwältin zu Hilfe zu nehmen. Die Kosten für die anwaltliche Vertretung sind nur dann zu tragen, wenn der Eilantrag vom Gericht abgewiesen wurde. Manche Ombudsstellen haben einen Fonds, um auch für den Fall der Ablehnung die anwaltlichen Kosten zu übernehmen. Dies ist jedoch in jedem einzelnen Fall vorher mit der Ombudsstelle zu besprechen.
Sollten drei Monate nach der Antragstellung verstrichen sein und das Jugendamt trotz (mehrfachen) Nachhakens keine Entscheidung treffen, bietet es sich an, beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage zu erheben. Mit ihr wird keine Entscheidung in der Sache getroffen, sondern das Jugendamt erhält noch einmal auch von Seiten des Verwaltungsgerichts den Druck, nun endlich tätig zu werden.
Und wenn trotz alledem nichts passiert und auch das Eilverfahren lange dauert?
Wenn überhaupt kein Warten mehr möglich ist – denn auch Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht können gut und gerne ein paar Monate in Anspruch nehmen – dann kommt ganz ausnahmsweise auch einmal eine sogenannte „Selbstbeschaffung“ in Betracht. Das bedeutet, dass man die beantragte Leistung einfach schon in Anspruch nimmt, noch bevor das Jugendamt sie bewilligt hat, darauf vertrauend, dass die Leistung zu einem späteren Zeitpunkt bewilligt und die Kosten für sie nachträglich vom Jugendamt übernommen werden.
Mit der Inanspruchnahme der Leistung geht also immer ein gewisses Risiko einher, dass im Nachhinein doch keine Bewilligung durch das Jugendamt erfolgt und man selbst auf den – häufig nicht gerade niedrigen – Kosten hängenbleibt. Man sollte diesen Weg also nur wählen, wenn man sich sicher ist, dass die Voraussetzungen für die „Selbstbeschaffung“ vorliegen.
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Frage 11.8.
Frage 11.8.: Selbstbeschaffung: Unter welchen Voraussetzungen ist eine Selbstbeschaffung möglich?
Im Kinder- und Jugendhilferecht hat der Gesetzgeber betont, dass grundsätzlich die Jugendämter das Entscheidungsprimat über die Gewährung von Hilfen haben. Sie sind zur Kostenübernahme einer Hilfe nur dann verpflichtet, wenn sie auf der Grundlage ihrer Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird (§ 36a Abs. 1 SGB VIII).
Allerdings ist das Jugendamt unter engen Voraussetzungen auch zu einer Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte Hilfe verpflichtet. Dem Jugendamt muss ein sogenanntes "Systemversagen" nachgewiesen werden. Die Voraussetzungen für eine Selbstbeschaffung sind in § 36a Abs. 3 SGB VIII geregelt:
- die Leistungsberechtigte hat das Jugendamt vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt (und einen entsprechenden Antrag gestellt),
- sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe lagen zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung vor und
- die Deckung des Bedarfs hat keinen zeitlichen Aufschub bis zu einer Entscheidung des Jugendamtes über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über den Widerspruch oder über die Klage auf eine zu Unrecht abgelehnten Leistung geduldet.
Notwendig ist eine präzise Begründung, warum die Leistung unaufschiebbar erforderlich ist. Ferner ist eine „angemessene“ Fristsetzung gegenüber dem Jugendamt vor der Selbstbeschaffung sehr wichtig, um dem Jugendamt zunächst Gelegenheit zum Tätigwerden zu geben. Empfehlenswert ist eine Frist von mindestens zwei Wochen zu gewähren. In manchen Fällen bewirkt bereits eine solche Androhung der Selbstbeschaffung, dass der Antrag zügig bearbeitet wird.
Die Möglichkeit der Selbstbeschaffung kann folglich sehr effektiv sein, wenn die Leistungsberechtigten die notwendigen finanziellen Mittel zur Bezahlung der Leistung selbst aufbringen können. Sie tragen dann aber auch das hohe Risiko, auf den Kosten letztlich sitzenzubleiben, sollten sie in einem späteren Rechtstreit die Erstattung nicht durchsetzen können. Manchmal gehen auch freie Träger der Jugendhilfe das Kostenrisiko ein und gehen in Vorleistung, um die Jugendlichen zu unterstützen.
Wenn das Jugendamt sich an alle Termine hält und im Kontakt bleibt, ist eine Selbstbeschaffung nicht möglich.
Die Selbstbeschaffung ist nicht für alle Hilfen möglich, sondern lediglich für die Hilfen zur Erziehung, die Hilfen für junge Volljährige und die Hilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche.
Im Fall von Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit einer (drohenden) körperlichen oder geistigen Behinderung besteht gegenüber dem Träger der Sozialhilfe beziehungsweise Eingliederungshilfeträger ein paralleles Recht auf Selbstbeschaffung gemäß § 18 Abs. 6 SGB IX. Für das Jugendamt als Rehabilitationsträger greift diese Vorschrift neben § 36a SGB VIII und gilt sogar vorrangig (§ 7 Abs. 2 SGB IX). Die die Leistungsberechtigten nochmals stärker begünstigenden Vorgaben in § 18 Abs. 1 bis 5 SGB IX (unter anderem Entscheidungsfrist von 2 Monaten mit sehr begrenzten Möglichkeiten der Verlängerung) GELTEN HINGEGEN NICHT für Kinder- und Jugendhilfe (§ 18 Abs. 7 SGB IX).
Wenn man den Weg der Selbstbeschaffung gehen möchte, empfiehlt sich dringend eine vorherige Beratung durch Anwältinnen oder Ombudsstellen.
Frage 11.9.: Verzögerung: Ich habe einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung beim Jugendamt gestellt. Das Jugendamt entscheidet aber nicht, sondern schickt uns zu anderen Ämtern und will ständig Gutachten haben. Dadurch wird die Entscheidung verzögert. Dürfen die das?
Wenn der Eindruck entsteht, dass das Jugendamt mit seinen Verweisen auf andere Ämter oder das ständige Nachfordern von Unterlagen lediglich eine Entscheidung verzögert, dann kann freundlich und entschieden – und schriftlich! – darauf hingewiesen und eine Frist gesetzt werden. Nach deren Ablauf kann ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht eingelegt werden. Gegebenenfalls ist es auch geboten, auf die sogenannte „Selbstbeschaffung“ zurückzugreifen.
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Frage 11.8.
Frage 11.10.: Hilfe für junge Volljährige: Ich lebe in einer Wohngruppe und werde bald 18 Jahre alt. Nun habe ich einen Antrag auf „Hilfe für junge Volljährige“ gestellt. Das reicht dem Jugendamt aber nicht. Ich soll aufschreiben, was ich alles noch nicht kann. Aber ich kann doch so vieles. Muss ich mich besonders schlecht darstellen?
Natürlich braucht sich niemand nur schlecht zu machen. Im Gegenteil ist es wichtig, auch die Aspekte aufzuzeigen, die die eigenen Stärken darstellen. Aber natürlich ist zwingend auch herauszuarbeiten, weshalb man die Hilfe überhaupt beansprucht, und zwar möglichst ausführlich. Auch darf und soll das Bild, dass man von sich in der Begründung aufzeigt, realistisch und umfassend sein. Hilfe für junge Volljährige sollen ja diejenigen jungen Menschen erhalten, die sie benötigen. Dass sie sie benötigen, müssen sie dem Jugendamt jeweils überzeugend darstellen. Das Gesetz schreibt in § 41 Abs. 1 SGB VIII vor, dass junge Volljährige Hilfe erhalten sollen, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Das sind lauter unbestimmte Rechtsbegriffe, die für jeden einzelnen jungen Volljährigen festzustellen und zu bejahen sind und sich bei jedem jungen Volljährigen, der die Hilfe beantragt, ganz anders darstellen dürften.
Gerade junge Volljährige haben es oft schwer, die ihnen zustehende Hilfe durchzusetzen. Durch die Gesetzesänderung wird unterstrichen, dass diese Hilfe gewährt werden muss und nur ausnahmsweise von der Bewilligung abgesehen werden kann. Und nur dann, wenn der junge Mensch durch die Beendigung der Hilfe nicht in seiner Persönlichkeitsentwicklung gefährdet wird. Sollte man im Gespräch mit der Jugendamtsmitarbeiterin jedoch merken, dass es mit der Bewilligung der Hilfe schwierig werden könnte, ist es ratsam, sich an eine der in jedem Bundesland existierenden Ombudsstellen zu wenden.
Frage 11.11.: Aufbewahrungsfristen von Jugendhilfeakten: Ich war in den 90er Jahren in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht. Nun möchte gern diese Unterlagen vom Jugendamt haben. Was kann ich tun?
Wenn der Aufenthalt in der Einrichtung schon etwas länger her ist: die Akten über die Durchführung von Maßnahmen existieren nur noch im Einzelfall in den Jugendämtern vor Ort. Jedoch werden Akten nach Ablauf bestimmter Fristen (mindestens zehn Jahre nach Abschluss der Maßnahme, maximal 60 Jahre nach Volljährigkeit des ehemaligen Heimkindes) dem zuständigen Landesarchiv zur Aufbewahrung angeboten werden. Leider kann aus Kapazitätsgründen nur ein kleiner Teil der Akten aufbewahrt werden.
Wer noch mehr wissen möchte:
- Rechercheratgeber für alle Bundesländer: beim Landesarchiv Baden-Württemberg gibt es einen Rechercheratgeber. Dieser bezieht sich auf alle Bundesländer und gibt Ratschläge für Suchaktivitäten: https://www.landesarchiv-bw.de/de/recherche/rechercheratgeber/71626
- für Baden- Württemberg: für Anfragende, die aktuell in Baden-Württemberg leben oder die in einer Jugendhilfeeinrichtung in Baden-Württemberg gelebt haben, gibt es eine Besonderheit: hier können sich Suchende direkt an das Landesarchiv wenden, welches dann bei der Suche aktiv unterstützt. Näheres hierzu: heimerziehung-bw.de/
- bei sonstigen Fragen: seit November 2020 gibt für die Betroffenen der Heimerziehung in Baden-Württemberg eine eigene Informations- und Beratungsstelle. Sie ist angesiedelt bei der Landesombudsstelle, die zum unabhängigen Ombudssystem der Kinder- und Jugendhilfe gehört.
12. Welche Rechte habe ich, wenn ich in einer Jugendhilfeeinrichtung (zum Beispiel einer Wohngruppe) lebe?
Frage 12.1.: Mitbestimmung in WG: Ich lebe in einer WG und bin unzufrieden mit den Regeln dort. Kann ich an den Regeln etwas ändern?
Grundsätzlich ja! Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen leben, haben nach § 8 SGB VIII das Recht, an allen sie betreffenden Entscheidungen mitzuwirken. Du lebst in einer WG und möchtest eigentlich gern etwas an den Regeln dort ändern, das ist also Dein gutes Recht! Die WG ist Dein unmittelbarer Lebensmittelpunkt, deshalb ist es wichtig, dass Du Dich dort wohl und sicher fühlst. Daher hast Du auch ein Mitspracherecht. Du als junger Mensch, der in einer WG lebt, solltest darüber mitbestimmen können, welche Regeln im Zusammenleben gelten sollen. Auch müssen sich die Regeln an die Kinderrechte halten. In den Einrichtungen sollte es Beteiligungsgremien wie z.B. einen Heimrat oder Gruppensprecherkonferenz geben. Hier könnt ihr Forderungen gemeinsam formulieren und mit der Einrichtungsleitung besprechen. Jede WG muss auch ein Beschwerdeverfahren haben, worüber Du Deine Kritik äußern und Dich beschweren kannst. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Wenn Du nicht weißt, wie das Beschwerdeverfahren bei Euch funktioniert, dann gibt es noch weitere Möglichkeiten, wie Du versuchen kannst Deine Meinung über die Regeln in Deiner WG zu äußern zum Beispiel:
- Kannst Du mit Deiner Bezugsbetreuerin darüber sprechen.
- Kannst Du es im Gruppenabend mit den anderen Bewohnerinnen ansprechen.
- Kannst Du mit Eurer Vertrauenserzieherin der WG sprechen.
- Kannst Du Dich mündlich oder schriftlich an die Einrichtungsleitung wenden.
- Kannst Du auch Deine zuständige Sozialarbeiterin im Jugendamt anrufen.
Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) steht seit Juni 2021 auch, dass sich junge Menschen aus der Erziehungshilfe zu Gruppen zusammenschließen sollen. Jugendämter sollen mit diesen Gruppen sogar zusammenarbeiten. Also: werde politisch! Setz Dich für Deine Rechte ein! Finde heraus, ob es in Deiner Nähe schon Selbstvertretungsstrukturen gibt oder gründe selbst welche!
Wenn Du aber der Meinung bist, das nützt alles nichts und Deine Meinung findet einfach keine Beachtung, dann wende Dich an eine unabhängige Ombuds- und Beschwerdestelle. Du hast ein Recht darauf Dir Hilfe zu holen. Das kann Dir niemand verbieten! Das steht im Gesetz! Hier findest du die Kontaktdaten zur Ombuds- und Beschwerdestelle in deinem Bundesland: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen/
Frage 12.2.: Privatsphäre: Ich lebe in einer Wohngruppe. Dort sind vor kurzem die Türen ausgebaut worden, weil wir uns nicht an die Regeln gehalten haben. Ist das so zulässig?
Türen auszubauen ist ein klarer Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen. Allein, wenn eine Betreuerin, ohne anzuklopfen das Zimmer betritt, ist das nicht in Ordnung. Das Zimmer ist ein Privatbereich, der (grundrechtlich) geschützt ist. Dies ist zudem eine schwerwiegende Maßnahme, die vermuten lässt, dass in der Gruppe keine bzw. nur wenige Regeln eingehalten werden und unter Umständen auch Übergriffe stattfinden.
Eigentlich sollte es Gruppengespräche in der Wohngruppe geben, in denen diese extreme Situation besprochen wird. Was ist Sicht der Kinder und Jugendlichen und was ist die Sicht der Betreuerinnen? Lösungen findet Ihr am besten, wenn Ihr euch gegenseitig zuhört und zusammen überlegt, was Ihr tun könnt.
Möglicherweise ist die Gruppensituation so schwierig, dass eine Lösung nur mit Hilfe von außen gefunden werden kann. In jeder und für jede Einrichtung sollte es eine Beschwerdestelle oder eine Ansprechperson für Beschwerden geben. Auch an diese könnt Ihr euch wenden und auf die Situation hinweisen. Ansonsten können auch Ombudsstellen bei solchen Fragen und Problemen weiterhelfen.
Als eine weitere Möglichkeit besteht der Weg zur „Heimaufsicht“ (§ 46 SGB VIII), die beim Landesjugendamt liegt. Die Heimaufsicht hat darauf zu achten und kann das auch gegenüber der Einrichtungsleitung einfordern, dass die Türen wieder eingehängt werden und eure Privatsphäre geschützt wird. Die Heimaufsicht will auch wissen, was dazu geführt hat, die Türen auszubauen und auch sie ist daran interessiert, dass Ihr Gruppenregeln für ein positives Zusammenleben erarbeitet.
Frage 12.3.: Taschengeld: Ich lebe in einer Wohngruppe und bekomme weniger Taschengeld als die anderen Jugendlichen. Ist das richtig so?
Prinzipiell gilt: Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Taschengeld. Dies ist in § 39 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) geregelt. Dort wird der angemessene Barbetrag geregelt, welcher Euch zur Verfügung steht. Die Höhe ist nach Altersgruppen gestaffelt. Somit kann es sein, dass Kinder und Jugendliche unterschiedliche Taschengeldbeträge innerhalb einer Einrichtung zur Verfügung haben. Hierzu gibt es aktuelle Listen im Jugendamt, welche Ihr einsehen könnt. Dabei könnt Ihr Euch gerne Unterstützung bei Euren Betreuerinnen suchen.
Über diesen Betrag könnt Ihr frei entscheiden. Mit dem Taschengeld sollt Ihr unter anderem lernen selbständige Entscheidungen zu treffen und ein Verständnis zu bekommen, was es bedeutet ein Eigentum zu haben. Letztlich geht es um einen weiteren Schritt für die zukünftige Zeit Eurer Selbständigkeit nach der Hilfe zur Erziehung. Wichtig ist, dass Taschengeld nicht an ein bestimmtes Verhalten Eurerseits gebunden ist. Somit ist Taschengeld kein Erziehungsmittel und schon gar nicht Druck- beziehungsweise Strafmittel Euch gegenüber. Letztlich sind Kürzungen des Taschengeldes beziehungsweise dessen Vorenthaltungen nicht erlaubt. Betreuerinnen sollten Euch bei der Verwendung des Taschengeldes unterstützen und beraten. Ihr könnt mit den Beteuern Vereinbarungen zu den Auszahlungsregelungen treffen, wenn Ihr das wollt. So kann es sein, dass Ihr etwas ansparen wollt. Allerdings darf Euch das nicht aufgezwungen werden. Wenn Ihr damit Probleme habt, könnt ihr euch gern an eine ombudschaftliche Beratungsstelle wenden. Besser wäre natürlich zuerst ein klärendes Gespräch in Eurer Einrichtung.
Frage 12.4.: Taschengeld: Ich lebe in einer Wohngruppe und bekomme nicht das volle Taschengeld. Wie kann ich mich dagegen wehren?
Das Taschengeld steht Dir natürlich in voller Höhe zu. Dies ist im §39 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) geregelt. Dort wird der angemessene Barbetrag geregelt, welcher Euch zur Verfügung steht. Du kannst frei darüber verfügen. Dabei gilt für Dich der sogenannte Taschengeldparagraf im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 110BGB).
Der besagt, dass Du je nach Alter entsprechende Dinge kaufen kannst und Dir die Mitarbeitenden Deiner Wohngruppe keine Vorschriften machen können!
Wenn Du nun Probleme hast, die Dein Taschengeld betreffen, solltest Du als erstes mit Deiner Bezugsmitarbeiterin reden. Wenn das nicht funktioniert, wende Dich an die Beschwerdestelle Deiner Einrichtung. Dies kann zum Beispiel ein Briefkasten in Deiner Einrichtung oder eine Sprechstunde der Vertrauensmitarbeiterin sein. Hier musst du Dich erkundigen.
Falls das auch nicht klappt, kannst Du Dich an eine Ombudsstelle wenden. Die für Dich zuständige Ombudsstelle findest Du hier: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen
Es gibt aber auch Ausnahmen, dass etwas von Deinem Taschengeld abgezogen wird. Zum Beispiel wenn Du auf den Führerschein sparen willst und dafür etwas zurückgelegt wird. Aber das musst Du selbst wollen und dem zustimmen. Oder wenn Du mal etwas kaputt gemacht hast und Du zur Wiedergutmachung bereit bist. Auch hier gilt nur mit Deinem Einverständnis (in der Regel wird dies im Hilfeplangespräch vereinbart, so sind ist das Jugendamt und Deine Eltern informiert). Klar ist aber auf jeden Fall, dass nicht das ganze Taschengeld eingesetzt werden kann, sondern ein Teil zu Deiner freien Verfügung bleiben muss.
Wer noch mehr wissen möchte: https://www.taschengeldparagraph.com
Frage 12.5.: Mobbing/Diskriminierung: Ich lebe in einer Wohngruppe und bin dort diskriminierenden Ausgrenzungen/Beschimpfungen ausgesetzt. Was kann ich tun?
Diskriminierungen sind Abwertungen oder Benachteiligungen beispielsweise aufgrund Deines Geschlechts, Deiner sexuellen Orientierung, Deines Glaubens oder Deiner Herkunft. Diskriminierung zu erfahren, kann verletzend und beschämend sein, es kann wütend machen und Dich hilflos und schwach fühlen lassen. Dies anzusprechen ist nicht immer leicht, Diskriminierungen zu erdulden ist aber auch keine Lösung. Du hast das Recht, nicht diskriminiert zu werden. Zuallererst ist es wichtig, dass Du die Ruhe bewahrst, vielleicht ist es sinnvoll die Diskriminierung zu dokumentieren, zum Beispiel indem Du aufschreibst, was Dir passiert ist. Und vor allem ist es wichtig, dass Du Dir sehr bald in Deinem Umfeld Unterstützerinnen suchst. Wenn Du Dich in Deiner Wohngruppe oder Pflegefamilie diskriminiert fühlst, kannst Du Dein Erlebnis Deinen Freundinnen, Betreuerinnen oder einer Person, der Du vertraust, erzählen und um Unterstützung bitten.
In vielen Einrichtung gibt es eine Vertrauenserzieherin oder eine Beschwerdestelle, an die Du Dich wenden kannst. Natürlich kannst Du Dich aber auch an die Bereichsleitung, Einrichtungsleitung, Deine Vormundin oder die für Dich zuständige Ansprechpartnerin im Jugendamt wenden. Wenn Du das Gefühl hast, Du wirst mit Deiner Beschwerde nicht ernst genommen oder Du kommst nicht weiter, kannst Du Dich auch an eine Ombudsstelle wenden. Auch wenn Du befürchtest, dass eine Beschwerde in der Einrichtung Nachteile für Dich mit sich bringen wird, kannst Du Unterstützung von einer Ombudsstelle erhalten. Die Mitarbeitenden dort helfen Dir dabei, die Situation aufzuklären und die richtigen Wege zu finden. Die für Dich zuständige Ombudsstelle findest Du unter www.ombudschaft-jugendhilfe.de
Frage 12.6.: Beschwerde bei Gewalt: Ich lebe in einem Heim und erlebe Gewalt durch Betreuerinnen. Bei wem kann ich mich beschweren?
Wohngruppen müssen ein sicherer Ort für junge Menschen sein. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Dies bedeutet, dass Dich niemand schlagen, verletzen, beleidigen, demütigen, bedrohen oder zu sexuellen Handlungen zwingen darf.
(Nur dann, wenn ein Kind oder eine Jugendliche sich selbst oder andere gefährdet, können die Betreuerinnen ihn es festhalten oder daran hindern die Gruppe zu verlassen.)
Werden Deine Rechte nicht gewahrt und Du erfährst Gewalt, solltest Du Dich beschweren und darauf aufmerksam machen. Du kannst die weiteren Betreuerinnen Deiner Gruppe darauf ansprechen, schildern was Du erlebt hast und um Hilfe bitten. In vielen Einrichtung gibt es eine Beschwerdestelle oder so etwas wie eine Vertrauenserzieherin. Natürlich kannst Du Dich aber auch an die Bereichsleitung, Einrichtungsleitung, Deine Vormundin oder Dein zuständiges Jugendamt wenden. Wenn Du das Gefühl hast, Du wirst mit Deiner Beschwerde nicht ernst genommen und kommst nicht weiter, gibt es außerdem die Möglichkeit, sich an eine Ombudsstelle zu wenden. Auch wenn Du befürchtest, dass Du unter Konsequenzen zu leiden hast, wenn Du Dich über die Einrichtung beschwerst, kannst Du Unterstützung von einer Ombudsstelle erhalten. Die Mitarbeitenden dort helfen Dir die Situation aufzuklären und die richtigen Wege zu finden. Sie unterstützen Dich bei Gesprächen mit den entsprechenden Stellen und sorgen mit Dir gemeinsam dafür, dass Du Dich in Deiner Einrichtung wieder sicher fühlen kannst oder ein neuer Ort für Dich gefunden wird.
Die für Dich zuständige Ombudsstelle findest Du unter www.ombudschaft-jugendhilfe.de
Frage 12.7.: Regeln in Wohngruppe: Mein Kind lebt in einer Jugendhilfe-Wohngruppe. Nun hat dort die Leitung gewechselt und diese hat neue Regeln verkündet. Diese Regeln passen mir als Elternteil nicht. Was kann ich tun?
Als Elternteil haben Sie die Möglichkeit, Informationen über den Alltag in der Wohngruppe Ihres Kindes zu bekommen. Auch dazu, welche Regeln es dort gibt. Regeln strukturieren den Alltag in den Einrichtungen und sind wichtig für das Zusammenleben. Wenn Sie diese Regeln nicht nachvollziehen können, fragen Sie in der Einrichtung, warum es diese Regeln gibt. Wenn nichts Anderes festgelegt ist (beispielsweise vom Jugendamt oder vom Gericht) dann müssen die Fachkräfte in der Wohngruppe auch mit Ihnen zusammenarbeiten. Elternarbeit ist ein wichtiger Aspekt bei stationären Erziehungshilfen. Das heißt, wenn Sie mit den Regeln unzufrieden sind, dann sollten Sie das äußern. Jede Wohngruppe sollte ein Beschwerdeverfahren haben, worüber Sie Ihre Kritik äußern und sich beschweren können. Das ist gesetzlich vorgeschrieben (§45, Abs. 2, Nr. 4 SGB VIII).
Sie wissen nicht, wie das Beschwerdeverfahren in der Einrichtung funktioniert? Dann gibt es noch weitere Möglichkeiten, wie Sie versuchen können, sich über die Regeln in der Wohngruppe zu äußern, zum Beispiel
- können Sie mit der Bezugsbetreuerin Ihres Kindes sprechen und Ihre Kritik äußern.
- können Sie die Teamleitung der Wohngruppe kontaktieren und um ein Gespräch bitten.
- können Sie sich mündlich oder schriftlich direkt an die Einrichtungsleitung wenden.
- können Sie mit Ihrer zuständigen Sozialarbeiterin im Jugendamt darüber sprechen und sie über die Änderung der Regeln informieren. Auch im Hilfeplangespräch kann das thematisiert werden.
Wenn Sie der Ansicht sind, dass das alles keinen Zweck hat oder Sie es schon auf diese Weise probiert haben, dann haben Sie das Recht, sich Unterstützung bei einer Ombuds- und Beschwerdestelle zu suchen (§9a SGB VIII). Hier finden Sie die Kontaktdaten zur Ombudsstelle in Ihrem Bundesland: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/ombudsstellen/.
Im Kinder- und Jugendhilfegesetz steht seit Juni 2021, dass sich Eltern mit Erfahrungen in der Erziehungshilfe zu Gruppen zusammenschließen sollen (§ 4a SGB VIII). Jugendämter sollen mit diesen Gruppen sogar zusammenarbeiten. Also tun Sie sich zusammen, setzen Sie sich für Ihre Rechte ein! Gründen Sie mit anderen Eltern Interessensvertretungen!
13. Mutter- bzw. Vater- Kind Wohnen/ Familienwohnen nach §19 SGB VIII
Frage 13.1.: Familien-WG: Ich soll mit meinem Kind in eine Mutter-Kind-Einrichtung ziehen. Ich möchte aber, dass mein Partner auch dort mit einzieht. Gibt es auch solche Angebote?
In § 16 SGB VIII ist geregelt, dass Familien in der Erziehung unterstützt werden, in § 19 SGB VIII ist festgelegt, dass Mütter und Väter auch gemeinsam in solchen Einrichtungen leben können. In der seit dem 10.06.2021 geltenden Gesetzesänderung wird diese Option noch einmal gestärkt und ausdrücklich darauf verwiesen, dass der "...andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden..." (§ 19 Absatz 2 SGB VIII). Dadurch wird die Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder betont. Es ist allerdings eine Ermessensentscheidung und muss in jedem Einzelfall besprochen werden. Die Aufnahme beider Eltern ist nur dann möglich, wenn es den Zielen der Hilfe entspricht und aus fachlicher Sicht dadurch keine Nachteile entstehen. Die Einbeziehung des anderen Elternteils kann eine wichtige Ergänzung sein, um den Kontakt des Kindes zu beiden Eltern zu fördern und die Erarbeitung einer langfristigen Perspektive zu entwickeln. Es soll auch den Vätern die Möglichkeit geben, eine verantwortungsvolle und verlässliche Beziehung zu ihren Kindern zu entwickeln.
Die Jugendämter vermitteln diese Angebote. Es gibt allerdings derzeit noch nicht viele Einrichtungen, die beide Eltern aufnehmen können.
Frage 13.2.: Ich lebe mit meinem Kind in einer Mutter- und Kind- Einrichtung. Mein Partner, der auch der Vater des Kindes ist, möchte an den Wochenenden bei mir in der Einrichtung übernachten. Die Einrichtung verbietet das. Darf sie das?
Wenn ein Elternteil mit einem oder mehreren Kindern in einer Mutter/Vater- Kind- Einrichtung lebt, hat der andere Elternteil grundsätzlich Anspruch auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen wurde (§ 1684 BGB).
In welcher Form der Umgang stattfindet, sollte am besten in einem Gespräch mit dem Jugendamt besprochen werden. Ob der andere Elternteil in der Einrichtung übernachten kann, hängt sicher davon ab, ob die Einrichtung diese Möglichkeit bietet und / oder ob es eventuell Gründe gibt, die dagegensprechen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn dadurch eine Gefährdung des Kindes gesehen wird.
Wenn eine Übernachtung eines Elternteils von beiden gewünscht wird und aus Sicht des Jugendamtes keine Gründe dagegensprechen, sollte schon bei der Auswahl der Einrichtung darauf geachtet werden, ob dies in der Einrichtung möglich ist.
14. Geschlossene Unterbringung
Frage 14.1.: Geschlossene Unterbringung: Das Jugendamt will, dass mein Kind geschlossen untergebracht wird. Ich will das nicht. Was kann ich als Mutter tun?
Eine geschlossene Unterbringung kann nur nach § 1631 b BGB stattfinden, das heißt, nur mit einer Genehmigung des Familiengerichts. Eine geschlossene Unterbringung ist ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit. Den Antrag dazu können nur die Personensorgeberechtigten oder (falls bestellt) eine Ergänzungspflegerin / Amts Vormundin stellen. Die geschlossene Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme muss dem Wohl des Kindes dienen und darf nur so lange andauern, wie es das Wohl des Kindes erforderlich macht. Und es darf nur zu so einer Unterbringung kommen, wenn die Gefahr nicht durch andere Hilfe bearbeitet werden kann. Es muss genau festgelegt werden, wo, warum und wie lange die Maßnahme andauern soll. In dem Verfahren vor dem Familiengericht wird eine Verfahrensbeiständin für das Kind benannt und es findet mindestens eine persönliche Anhörung des Kindes statt. Es gibt sehr viele Vorschriften für solch ein Verfahren und eine derartige Unterbringung.
Wer noch mehr wissen möchte:
- Schauen Sie auf www.freiheitsentzug.info nach, welche Vorschriften hier gelten.
- Rechtsgutachten zur geschlossenen Unterbringung: https://ombudschaft-jugendhilfe.de/veroeffentlichungen/.
- Fragen oder zur Unterstützung können Sie sich auch an eine Ombudsstelle wenden. Die für Sie zuständige Stelle finden Sie unter www.ombudschaft-jugendhilfe.de.
Frage 14.2.: Geschlossene Unterbringung: Ich lebe schon lange in einer Pflegefamilie. Nun gehe ich schon seit einem halben Jahr nicht mehr in die Schule, weil ich gemobbt werde. Das Jugendamt will, dass ich nun in ein geschlossenes Heim eingewiesen werde. Ich will das nicht – was kann ich tun?
Die geschlossene Unterbringung muss durch die Sorgeberechtigten beantragt und vom Gericht genehmigt werden. Außerdem ist für das Verfahren eine Verfahrensbeiständin zwingend vom Gericht zu bestellen, die das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen hat. Es besteht auch die Möglichkeit, sich an die Ombudsstelle zu wenden.
Es ist ein Sachverständigengutachten einzuholen, um die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer Unterbringung zu prüfen. Es muss geklärt werden, was die geschlossene Unterbringung bezwecken soll und warum andere Maßnahmen nicht möglich sind. Eine geschlossene Unterbringung ist immer das letzte Mittel in einer Reihe von pädagogischen Maßnahmen. Ist noch nicht alles versucht worden, ist eine geschlossene Unterbringung rechtlich nicht zulässig und die Richterinnen werden das nicht erlauben. Mildere Maßnahmen ohne Grundrechtseinschränkung haben Vorrang.
15. Hilfe für junge Volljährige
Frage 15.1.: Volljährigkeit: Was ändert sich, wenn ich 18 Jahre alt werde?
Mit dem Geburtstag ändert sich vieles, Du wirst volljährig. Damit musst Du viele Entscheidungen selbst treffen, Deine Eltern oder Deine Vormundin sind rechtlich nicht mehr für Dich zuständig. Natürlich musst Du ab sofort nicht alles allein machen, sondern kannst bei Bedarf auch auf die Angebote der Jugendhilfe zurückgreifen. Neu ist aber zum Beispiel, dass Du selbst den Antrag auf Weiterbewilligung der Jugendhilfe stellen darfst.
Tipp! Bevor Du Verträge oder Anträge unterschreibst, die Dich rechtlich binden, besprich Dich vorher mit einer für Dich vertrauten Person.
Wer noch mehr wissen möchte: www.careleaver.de
Frage 15.2. Hilfen für junge Volljährige: Welche Angebote der Jugendhilfe kann ich nach meinem 18. Geburtstag noch in Anspruch nehmen?
Jugendhilfe, die nach dem 18. Geburtstag erbracht wird, nennt man nach dem Gesetz "Hilfe für junge Volljährige". Diese wird gewährt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet.
Traust Du Dir noch nicht zu, ohne Unterstützung durch die Jugendhilfe allein zurecht zu kommen? Hast Du das Gefühl, dass Du erst noch bestimmte Fähigkeiten lernen oder stärken möchtest, bevor Du die Jugendhilfe verlässt, um selbständig zu leben?
Dann kannst Du einen Antrag auf Hilfe für junge Volljährige stellen, in dem Du aus Deiner Sicht beschreibst, warum Du diese Hilfe weiter benötigst. Gründe dafür könnten zum Beispiel vorliegen, wenn Du noch Hilfe benötigst um die Schule/ Ausbildung erfolgreich abzuschließen, um den Umgang mit Geld zu lernen oder um bestimmte Fähigkeiten zu verbessern, wie zum Beispiel Konfliktfähigkeit, Organisationsfähigkeit, Durchhaltevermögen oder die Fähigkeit sich in eine Gemeinschaft einzufügen.
Auch wenn Du nach deinem 18. Geburtstag keine Angebote der Jugendhilfe mehr in Anspruch nimmst, kannst Du später wieder zurückkommen, wenn Du erneut Unterstützung brauchst. Das steht in § 41 Abs. 1. Satz 3 SGB VIII.
Wenn du noch in der Jugendhilfe lebst und 21 Jahre alt wirst, kann die Hilfe nur noch in einem begründeten Einzelfall und für einen begrenzten Zeitraum bewilligt werden.
Stelle Deinen Antrag rechtzeitig! Einen Antrag auf Hilfe für junge Volljährige solltest Du am besten 6 Monate vor Deinem 18. Geburtstag stellen.
Wer noch mehr wissen möchte: www.careleaver.de
Frage 15.3.: Hilfe für junge Volljährige: Ich lebe in einer Wohngruppe und werde bald 18 Jahre alt. Nun habe ich einen Antrag auf „Hilfe für junge Volljährige“ gestellt. Das reicht dem Jugendamt aber nicht. Ich soll aufschreiben, was ich alles noch nicht kann. Aber ich kann doch so vieles. Muss ich mich besonders schlecht darstellen?
Natürlich braucht sich niemand nur schlecht zu machen. Im Gegenteil ist es wichtig, auch die Aspekte aufzuzeigen, die die eigenen Stärken darstellen. Aber natürlich ist zwingend auch herauszuarbeiten, weshalb man die Hilfe überhaupt beansprucht, und zwar möglichst ausführlich. Auch darf und soll das Bild, dass man von sich in der Begründung aufzeigt, realistisch und umfassend sein. Hilfe für junge Volljährige sollen ja diejenigen jungen Menschen erhalten, die sie benötigen. Dass sie sie benötigen, müssen sie dem Jugendamt jeweils überzeugend darstellen. Das Gesetz schreibt in § 41 Abs. 1 SGB VIII vor, dass junge Volljährige Hilfe erhalten sollen, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Das sind lauter unbestimmte Rechtsbegriffe, die für jeden einzelnen jungen Volljährigen festzustellen und zu bejahen sind und sich bei jedem jungen Volljährigen, der die Hilfe beantragt, ganz anders darstellen dürften.
Gerade junge Volljährige haben es oft schwer, die ihnen zustehende Hilfe durchzusetzen. Durch die Gesetzesänderung wird unterstrichen, dass diese Hilfe gewährt werden muss und nur ausnahmsweise von der Bewilligung abgesehen werden kann. Und nur dann, wenn der junge Mensch durch die Beendigung der Hilfe nicht in seiner Persönlichkeitsentwicklung gefährdet wird. Sollte man im Gespräch mit der Jugendamtsmitarbeiterin jedoch merken, dass es mit der Bewilligung der Hilfe schwierig werden könnte, ist es ratsam, sich an eine der in jedem Bundesland existierenden Ombudsstellen zu wenden.
Frage 15.4.: Wie kann ich einen Antrag auf Jugendhilfe stellen?
Du kannst einen Antrag auf Hilfe bei dem Jugendamt, das für Dich zuständig ist, grundsätzlich formlos, d.h. auch mündlich am Telefon stellen. Es ist jedoch ratsam einen Antrag schriftlich zu stellen. Ein schriftlicher Antrag ist verbindlicher und lässt sich in einem Rechtsstreit leichter nachweisen. In jedem Fall mache eine Kopie Deines Antrags, den Du dann in einen Dokumenten-Ordner einheftest.
Das Jugendamt sollte Dich bei der Antragstellung unterstützen, wenn Du Dich allein schwer damit tust. Bitte die zuständige Mitarbeiterin um Hilfe, wenn Du nicht sicher, bist, ob Du alle wichtigen Angaben erwähnt hast. Diese sollte Dich durch gezielte Fragen dabei unterstützen, den Antrag ausreichend zu begründen.
Berichte oder Empfehlungen von bisherigen Betreuerinnen, Therapeutinnen oder z.B. auch von Lehrerinnen, die Deinen Antrag unterstützen, könnten sehr hilfreich sein. Wenn es einen Bericht gibt, der belegt, dass Du weiterhin Unterstützung brauchst, kannst Du eine Kopie des Berichts dem Antrag als Anlage beilegen.
Auch die Ombudsstelle in Deinem Bundesland kann Dich bei der Antragstellung und Begründung des Antrags unterstützen: www.ombudschaft-jugendhilfe.de
Frage 15.5.: Unterlagen vom Jugendamt: Ich möchte einen Widerspruch schreiben und die Ombudsstelle fragt nach meinen Unterlagen. Diese muss ich aber erst suchen, und weiß auch nicht genau, ob ich noch alle Unterlagen habe. Warum benötige ich diese überhaupt?
Gut ist es, wenn Du einen Überblick über Deine Unterlagen hast. Bescheide oder Schreiben vom Jugendamt sind dann wichtig, wenn Du mit einer Entscheidung des Jugendamtes nicht einverstanden bist und zum Beispiel einen Widerspruch schreiben möchtest. Dann ist es wichtig, den ablehnenden Bescheid zu haben, damit Du auf die Fristen achten kannst und genau weißt, was das Jugendamt Dir genau geschrieben hat.
Am besten du legst dir zu Deinem eigenen Überblick einen Ordner an, in den Du alle wichtigen Unterlagen (am besten im Original) ablegst. Dazu gehören zum Beispiel Anträge, Berichte und Bescheide. Wenn Du beispielsweise am Telefon eine Auskunft erhältst oder etwas mündlich vereinbarst, notiere Dir die wesentlichen Inhalte, den Namen der Ansprechperson und das Datum. Hefte diese Informationen ebenfalls im Ordner ab. Sinnvoll ist, dass du die Informationen gut strukturierst. Wann habe ich mit wem über was gesprochen und was haben wir verabredet?
Wenn Du Anträge oder Schreiben verschickst, dann mach Dir auf jeden Fall eine Kopie davon.
Frage 15.6.: Mitwirkungspflicht: Kann die Mitarbeiterin im Jugendamt die Hilfe beenden, da ich aus ihrer Sicht nicht mitwirke?
Du bist zur Mitwirkung an der Hilfe verpflichtet, zum Beispiel musst Du die für die Leistung erheblichen Tatsachen angeben und Du bist auch dazu verpflichtet auf Einladung persönlich im Jugendamt zu erscheinen, um Deinen Antrag mit den Mitarbeitenden des Jugendamtes zu besprechen.
Das bedeutet: Mitwirkungspflichten bestehen lediglich nach den §§ 60 bis 64 SGB I. Es besteht:
- eine Offenbarungsverpflichtung bezüglich leistungserheblicher Tatsachen bzw. derer Veränderungen,
- die Pflicht zur Auskunftserteilung durch Dritte erforderlichenfalls zuzustimmen sowie
- die Pflicht des persönlichen Erscheinens auf Verlangen des Jugendamtes insbesondere zum Hilfeplangespräch oder bei einer erforderlichen Begutachtung.
Aus § 36 SGB VIII ergeben sich keine Mitwirkungspflichten. Diese Normierung der Mitwirkungspflicht hat der Gesetzgeber absichtlich nicht aufgenommen, denn es sollte vermieden werden, dass es in der Praxis als Vorwand dient, „schwierige“ und phasenweise auch „desinteressierte“ junge Menschen vorschnell aus der Hilfe zu entlassen und ihnen damit häufig eine letzte Möglichkeit gesellschaftlicher Integration zu nehmen. Der junge Mensch soll motiviert werden, Durstrecken zu überwinden. Wenn besprochene Ziele nicht erreicht werden konnten, muss die Messlatte tiefer gehängt werden.
Die Leistungsberechtigten sind an der Aufstellung des Hilfeplans zu beteiligen und es besteht ein Recht auf Mitwirkung an der Erstellung des Hilfeplans. Der Hilfeplan bildet die Grundlage der Entscheidung des Jugendamtes über den Hilfeantrag.
Eine grundsätzliche Bereitschaft des jungen Volljährigen Hilfe anzunehmen und sich nach seinen Möglichkeiten aktiv zu beteiligen, ist allerdings Voraussetzung für eine Hilfe. Wenn man grundsätzlich nichts verändern möchte, so kommen Leistungen nach § 41 SGB VIII nicht in Betracht.
Von daher solltest du, was die genaue Ausgestaltung der Hilfe betrifft, grundsätzlich mit Dir reden lassen. Wenn Du Ideen hast, wie die Unterstützung Dir am besten helfen könnte, kannst Du konkrete Vorschläge vorbringen. In jedem Fall solltest Du klar sagen, wofür Du die Unterstützung brauchst und willst.
Das Jugendamt muss in der Hilfeplanung für dich verständlich erklären, warum es welche Unterstützungsangebote vorschlägt. Es dürfen keine zu hohen Erwartungen an Dich gestellt werden und die Hilfe darf nicht von Bedingungen, zum Beispiel regelmäßiger Schulbesuch (wenn das Dein Problem ist) abhängig gemacht werden.
Frage 15.7.: Habe ich ein Recht darauf, die Protokolle von Gesprächen mit dem Jugendamt zu erhalten, auch wenn es sich bei den Gesprächen nicht um Hilfeplangespräche handelt?
Alle Gespräche, die gemeinsam mit Deiner Jugendamtsmitarbeiterin stattfinden, sind Teil der Hilfeplanung. Wie diese schriftlich dokumentiert wird, ist überall sehr unterschiedlich. Zu Beginn oder bei einer Weiterbewilligung der Hilfe wird in der Regel ein sogenannter Hilfeplan erstellt, den alle Beteiligten erhalten, zum Beispiel auch Du und Deine Wohngruppe. Für manche Gespräche, die zusätzlich zu den regelmäßigen Hilfeplangesprächen stattfinden, gibt es oft keine schriftlichen Protokolle. Du kannst zu Beginn eines Gespräches darum bitten. Sollte dies jedoch abgelehnt werden, mache Dir Notizen zu den wichtigsten Vereinbarungen und Absprachen. Diese kannst Du nach dem Gespräch selbst per E-Mail oder Brief an Deine Jugendamtsmitarbeiterin schicken. Setze darin eine Frist (1 Woche) und bitte sie darum, sich innerhalb dieser Frist zu melden, wenn es zu Deinen Notizen unterschiedliche Sichtweisen gibt. Sollte sie sich nicht melden, kannst Du davon ausgehen, dass es so vereinbart wurde, wie Du es aufgeschrieben hast. Alle E-Mails oder Briefe müssen im Jugendamt in die Akte aufgenommen werden. Mach Dir für Deine Unterlagen zusätzlich eine Kopie oder speichere die E-Mail ab. So kannst Du bei Bedarf später darauf verweisen.
Frage 15.8.: Beendigung der Hilfe: Ich lebe in einer Wohngruppe und werde bald 18 Jahre. Ich will dort weiter wohnen, das Jugendamt will aber, dass ich ausziehe. Wie kann ich weiter dort wohnen bleiben?
Nach § 41 SGB VIII besteht ein rechtlicher Anspruch auf Hilfen auch für junge Volljährige, wenn und solange die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Volljährigen eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet.
Durch die Veränderungen im SGB VIII wurden mit Wirkung zum 10.06.2021 konkrete Voraussetzungen für die Leistung eingeführt und festgelegt, dass diese Hilfe gewährt werden muss, wenn diese Voraussetzungen vorliegen („muss“ statt „soll“). Die Gewährung von Hilfe für junge Volljährige wird damit verbindlicher. Es wurde zudem klargestellt, dass für eine Hilfegewährung nach § 41 SGB VIII keine Prognose bzgl. einer eigenverantwortlichen Lebensführung, sondern vielmehr eine „Gefährdungseinschätzung“ im Hinblick auf die Verselbständigung zu erfolgen hat. Das bedeutet, es muss keine Aussage getroffen werden, bis wann die Ziele (selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung) erreicht werden können. Dieser Verselbständigungsprozess ist zu unterstützen. "Gefährdungseinschätzung“ bedeutet, dass das Jugendamt prüfen muss, ob eine Beendigung der Hilfe die weitere Persönlichkeitsentwicklung und Verselbständigung gefährden würde. Beispiele für eine weiterhin notwendige Unterstützung liegen unter anderem vor, wenn Du noch zur Schule gehst oder in der Ausbildung bist oder kurz davor stehst eine Ausbildung zu beginnen. Auch drohende Obdachlosigkeit, unklare Lebensunterhaltssicherung, gesundheitliche Aspekte oder wenn Du für eine Zukunftsplanung weiterhin die Unterstützung Deiner bisherigen Hauptbezugspersonen benötigst, können Aspekte für eine Fortführung der Hilfe sein.
Darüber hinaus wird nun klargestellt, dass nach Beendigung der Hilfe eine erneute Gewährung oder Fortsetzung nicht ausgeschlossen ist (§ 41 Abs.1 Satz 3 SGB VIII).
Sollten an dieser Stelle weiterhin Ansprüche verweigert werden, können vor dem Hintergrund der neuen Gesetzesgrundlage Rechtsmittel eingelegt werden. Welche Rechtsmittel eingelegt werden können und wie dies genau funktioniert, ist bei den Fragen unter Punkt 4 Frage 4.2. und 4.4. zu finden.
Hierzu berät auch die jeweils zuständige Ombudsstelle: www.ombudschaft-jugendhilfe.de
Frage 15.9.: Beendigung der Hilfe: Ich lebe in einer Pflegefamilie und werde bald 18 Jahre alt. Nun soll die Hilfe enden. Meine Pflegeeltern wollen mich zwar weiterhin unterstützen, aber ich finde es ungerecht, dass sie nicht weiter Pflegegeld bekommen sollen. Was kann ich tun? Welche Möglichkeiten gibt es die Hilfe fortzuführen?
Die Beendigung der Hilfe muss in einem Hilfeplangespräch gemeinsam besprochen werden. Es kommt darauf an, weshalb die Hilfe beendet wird.
Wenn alle der Meinung sind, dass kein Hilfebedarf mehr besteht, dann ist die Beendigung folgerichtig. Dann besteht auch kein Anspruch mehr auf Pflegegeld. Der Anspruch auf Pflegegeld (§ 39 SGB VIII) hat keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern man bekommt es dann, wenn eine Hilfe nach § 33 SGB VIII als notwendig angesehen wird.
Die Hilfe kann beendet werden, wenn die im letzten Hilfeplan festgelegten Ziele (z.B. Schulabschluss) erreicht sind und danach kein weiterer Bedarf (eher unwahrscheinlich) der Unterstützung besteht.
Ansonsten muss ein neuer Antrag auf Hilfe für junge Volljährige nach §41 SGB VIII von Dir gestellt werden, da Du nun volljährig bist. Das kannst du ca. 6 Monate vor deinem 18.Geburtstag tun und grundsätzlich solltest Du darauf Wert legen, dass rechtzeitig (6 Monate vorher) vor Deinem 18. Geburtstag ein Hilfeplangespräch stattfindet, in dem Du dann Deine Interessen und Wünsche vortragen kannst.
Das Jugendamt ist auch verpflichtet Dich hier über Deine Rechte zu informieren. Wenn das Jugendamt die Weiterführung der Hilfe ablehnt, kannst Du einen Widerspruch einlegen.
Wer noch mehr zum Widerspruch wissen möchte: siehe auch Frage 4.2. und 4.4.
Das Jugendamt muss aber ein Jahr vor Beendigung der Hilfe prüfen, ob du Unterstützung von einem anderen Sozialleistungsträger (zum Beispiel Jobcenter oder BAföG) bekommst. Das Jugendamt soll dafür sorgen, dass Du lückenlos weiterhin finanzielle Unterstützung bekommst (§ 41a SGB VIII).
Wer noch mehr wissen möchte: siehe auch Fragen 15.11. und 15.12.
Wenn Du mehr Unterstützung durch die Pflegefamilie brauchst, als beim letzten Hilfeplangespräch vermutet, kannst Du auch einen neuen Antrag auf Unterstützung stellen. Dann muss das Jugendamt prüfen, ob der "Hilfebedarf" doch noch vorliegt. Diese sogenannte "Coming-back-Option" wird in der Gesetzesänderung ausdrücklich unterstützt (§ 41 Abs. 1 S.3 SGB VIII).
Frage 15.10.: Beendigung der Hilfe: Ich lebe in einer WG, komme aus Afghanistan, werde bald 18 Jahre und soll ausziehen. Ich müsste dann in eine „Gemeinschaftseinrichtung“ für Flüchtlinge. Darf das sein?
§ 6 Abs. 2 SGB VIII regelt, dass auch Ausländerinnen, die im Besitz einer Duldung oder eines rechtmäßigen Aufenthaltstitels sind, Leistungen nach dem SGB VIII in Anspruch nehmen können. Das bedeutet insbesondere, dass auch Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) in Anspruch genommen werden können. Danach besteht in der Regel ein Anspruch auf Hilfen auch für junge Volljährige, wenn festgestellt wird, dass eine Hilfe weiter notwendig ist. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann davon abgewichen werden. Dieser Anspruch wurde durch eine Gesetzesänderung noch einmal gestärkt. Es handelt sich hier um einen Ist-Anspruch. Das heißt, das Jugendamt muss begründen, warum ausnahmsweise diese Hilfe nicht gewährt werden soll. Wenn festgestellt wird, dass die Notwendigkeit nicht mehr besteht, muss geprüft werden, ob andere Hilfen gewährt werden müssen. Mindestens soll im Rahmen einer Nachbetreuung Hilfe gewährt werden, die auch darin liegen kann, eine geeignete Wohnform zu finden.
Wer mehr dazu wissen möchte: siehe auch Fragen 15.11. und 15.12.
Wenn eine Jugendhilfe beendet wird, weil kein Bedarf mehr besteht und es gelingt nicht eine eigene Wohnung zu finden, kann es passieren, dass man vorübergehend in eine Gemeinschaftsunterkunft oder wenn man nicht geflüchtet ist in eine Unterkunft für Wohnungslose ziehen muss. Das sollte aber immer die allerletzte Möglichkeit sein und nur, wenn der Mensch bereits wirklich allein und ohne Unterstützung zu leben in der Lage ist. Das ist regelhaft mit 18 Jahren nicht der Fall.
Wer mehr dazu wissen möchte: BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1999 – 5 C 24/98 –
Frage 15.11.: Drohende Obdachlosigkeit: Ich lebe in einer WG und werde nächste Woche 18 Jahre. Nun soll ich ausziehen. Ich habe aber keine Wohnung. Kann ich trotzdem in der WG bleiben?
Allein die Volljährigkeit ist kein Grund die Jugendhilfe zu beenden. Wenn weiterhin Jugendhilfe gewünscht und gebraucht wird, sollte das entsprechend beantragt werden. Dieser Antrag auf Fortführung der Hilfe über die Volljährigkeit hinaus, kann bereits 6 Monate vor dem 18. Geburtstag gestellt werden.
Wer mehr dazu wissen möchte: siehe auch Frage 15.2.
Nach § 41a SGB VIII erhalten junge Volljährige eine verbindliche Nachbetreuung, früher war die Nachbetreuung in § 41 Abs. 3 SGB VIII alte Fassung dagegen nicht zwingend. Junge Volljährige müssen innerhalb eines angemessenen Zeitraums im notwendigen Umfang beraten und unterstützt werden. Zeitraum und Umfang der Beratung und Unterstützung sollen im Hilfeplan festgestellt, dokumentiert und regelmäßig überprüft werden.
Eine solche Nachbetreuung kann etwa auch in Form von Wohnungssuche erfolgen. Wenn eine Wohnung nicht rechtzeitig gefunden werden kann, besteht eine Hilfebedürftigkeit und damit ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Hilfe nach § 41 Abs.1 SGB VIII. Wenn die Hilfe aber versagt wird, muss versucht werden, noch vor Auszug eine Lösung zu finden. Es sollte also noch vor dem drohenden Auszug eine Ombudsstelle aufgesucht werden. Diese kann auch bei der Vermittlung von Anwältinnen helfen, wenn eine Lösung nur bei Gericht möglich ist. Um eine schnelle Lösung zu erreichen, gibt es besondere Verfahren bei Gericht, die sogenannten einstweiligen Rechtsschutzverfahren.
Frage 15.12.: Beendigung der Hilfe: Ich werde bald 18 Jahre alt und soll ausziehen aus der WG. Aber bisher ist nirgendwo ein Antrag gestellt. Ich habe Sorge, dass ich ohne Geld dasitzen werde. Was kann ich tun?
§ 41 Abs. 3 SGB VIII verpflichtet das Jugendamt bereits 1 Jahr bevor die Hilfe beendet werden soll, zu prüfen und mit den jungen Menschen zu besprechen, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein anderer Sozialleistungsträger zuständig werden könnte und den Übergang zu regeln.
Die vorgeschriebene Prüfung des Bedarfs des jungen Menschen muss ein Jahr vor Beendigung der Hilfe noch nicht zu einem Ergebnis kommen, sondern ab diesem Zeitpunkt nur verstärkt werden. In der Gesetzesbegründung werden verschiedene Leistungsübergänge beispielhaft genannt, etwa der Übergang von einer Jugendhilfeeinrichtung in den Bezug von SGB II- oder BAföG-Leistungen, von Leistungen nach § 67 SGB XII oder von Leistungen der Eingliederungshilfe.
Wer mehr dazu wissen möchte: BT-Drs. 19/26107, S. 95.
Das Jugendamt behält die Federführung für diesen Prozess und darf erst entlassen, wenn der andere verbindlich leistet. Das Gesetz wurde extra so geändert, damit diese Lücken nicht mehr entstehen.
Wer mehr dazu wissen möchte: BT-Drs. 19/26107, S. 94, 95
16. Schule und Schulbegleitung
Frage 16.1.: Schulbegleitung: Ich brauche für mein Kind Unterstützung in der Schule. Wie komme ich an eine Schulbegleitung?
Ein junger Mensch hat Anspruch auf eine Schulbegleitung, wenn eine geistige und/oder körperliche Beeinträchtigung vorliegt (Förderschwerpunkte: geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, Hören, Sehen etc.) und die Schule im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Bedürfnissen und Bedarfen des jungen Menschen nicht gerecht werden kann. Wenn eine (drohende) seelische Behinderung vorliegt (§ 35a SGB VIII) und vom Jugendamt eine sogenannte Teilhabebeeinträchtigung anerkannt wurde, kann eine Schulbegleitung bewilligt werden.
Frage 16.2.: Schulbegleitung: Die Schulbegleitung für unsere Tochter soll enden. Wir wollen das aber nicht akzeptieren. Was können wir tun?
Es besteht ein Anspruch auf einen rechtmäßigen Bescheid, gegen diesen kann Widerspruch eingelegt werden. Wer mehr wissen möchte: siehe Frage 4.1..
Frage 16.3.: Internetschule: Meine Tochter kommt an der Schule nicht klar, sie war schon an mehreren Schulen. Wir wollen, dass sie per Internetschule beschult wird. Das Jugendamt weigert sich aber, die Kosten dafür zu übernehmen. Was können wir tun?
Diese Frage ist nicht einheitlich für alle Bundesländer geregelt. Grundsätzlich gilt: Eine Internetbeschulung kann durch den Jugendhilfeträger finanziert werden, wenn eine Beschulung an einer regulären Schule nicht mehr möglich ist. Es muss deutlich werden durch Facheinschätzung von Pädagoginnen oder MedizinerInnen, dass die Internet-Beschulung die einzige Möglichkeit ist, die Schulfähigkeit wieder herzustellen. Rechtliche Grundlage hierfür ist der Anspruch auf Teilhabe an Bildung. Die Entscheidung, ob eine Internet-Beschulung die geeignete Maßnahme ist, wird in einem kooperativen, sozialpädagogischen Entscheidungsprozess getroffen unter Mitwirkung der Fachkräfte des Jugendamtes und der betroffenen Hilfeempfängerin. Es wird also immer eine individuelle Entscheidung im Einzelfall geben.
Frage 16.4.: Schulgeld: Mein Kind lebt in einer Wohngruppe. Nun ist sie bald 6 Jahre alt und soll eingeschult werden. Ich möchte eine Privatschule für sie. Übernimmt das Jugendamt die Kosten?
In allen Bundesländern können die Eltern frei entscheiden, ob sie ihr Kind auf eine öffentliche Schule oder eine Privatschule schicken. In der Regel müssen die Kosten dafür von den Eltern übernommen werden. In Ausnahmefällen kann eine Kostenübernahme durch das Jugendamt erfolgen.
Eine der Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist, dass eine Beschulung in öffentlichen Schulen nicht bedarfsgerecht ist. Dazu bedarf es eines sozialpädagogischen Entscheidungsprozesses, ob die beabsichtigte Maßnahme die einzige Möglichkeit ist, das Recht auf Teilhabe an Bildung durchzusetzen. Solche Maßnahmen werden gewöhnlich dann finanziert, wenn schon im Kindergarten deutlich wurde, dass ein besonderer Bedarf besteht und wenn nur die Privatschule besondere Bedingungen erfüllt, so dass man nur dort dem Kind und seinen Bedürfnissen gerecht werden kann.
17. Psychische Erkrankung/ Suchterkrankung
Frage 17.1.: Psychische Probleme: Mein Kind lebt in einer Wohngruppe, weil ich Probleme mit Alkohol hatte. Das Jugendamt hatte gesagt, dass ich mein Kind wiederbekomme, wenn ich eine Therapie gemacht habe. Diese Therapie habe ich absolviert. Aber mein Kind lebt immer noch dort. Was kann ich tun?
Davon ausgehend, dass das Jugendamt über den erfolgreichen Abschluss der Therapie informiert ist, sollte jetzt in einem Hilfeplangespräch miteinander (einschließlich der Wohngruppe) überlegt werden, welcher Zeitpunkt für eine Rückkehr im Interesse des Kindes förderlich ist. Das Kind ist an dieser Entscheidungsfindung zu beteiligen. Rückkehroption und Zeitpunkt sollten im Hilfeplan festgehalten werden.
Es kann verschiedene Gründe geben, die eine sofortige Rückkehr, auch wenn sie sehr gewünscht ist, nicht sinnvoll erscheinen lassen. Ein Beispiel könnte ein mit der Rückkehr verbundener Schulwechsel sein.
Frage 17.2.: Psychische Probleme: Das Jugendamt sagt, ich sei unzuverlässig und könnte mich also nicht um mein Kind kümmern. Tatsächlich fehlt mir manchmal die Kraft. Was kann ich trotzdem vom Jugendamt an Hilfe bekommen?
Zunächst muss eingeschätzt werden, wofür die Kraft reicht und wofür nicht. Die Unterstützungsmöglichkeiten des Jugendamtes variieren von kurzfristigen ambulanten bis hin zu stationären Hilfen. Ziel der Unterstützung muss immer sein, dass sich die Kinder emotional und körperlich gut entwickeln und die Eltern mit der Unterstützung des Jugendamtes ihre Kinder, wenn möglich, zuhause betreuen können.
Wenn also die Kraft dafür ausreicht die Grundversorgung des Kindes sicherzustellen, kommt eventuell eine ambulante Hilfe in Frage. Das bedeutet ihr Kind lebt weiter in der Familie wird zum Beispiel durch eine sozialpädagogische Familienhilfe unterstützt. Ein Ziel muss hier auch sein herauszufinden, warum die Kraft manchmal nicht reicht und wie das langfristig verändert werden kann. Zum Beispiel wie der Alltag kraftsparender organisiert werden kann. Vielleicht ist auch eine Psychotherapie der Mutter oder des Vaters notwendig, wenn die Probleme tiefer liegen.
Sollte die Kraft nicht dafür ausreichen die Grundversorgung des Kindes sicherzustellen, kann oder muss auch über eine stationäre Hilfe nachgedacht werden. Hier ist das oberste Ziel alles dafür zu tun, dass das Kind so schnell wie möglich wieder zu den Eltern zurückkehren kann. Das nennt man Rückführung.
Um herauszufinden was wann wichtig ist, um einer Familie zu helfen, müssen wahrscheinlich mehrere Gespräche mit verschiedenen Beteiligten geführt werden.
In jedem Fall sind diese Hilfen freiwillig. Die Eltern müssen einverstanden mit der Hilfe sein.
Frage 17.3.: Psychiatrie: Meine Tochter lebt in einem Heim. Nun ist sie in die Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen worden. Das Heim kümmert sich gar nicht mehr um meine Tochter. Müssen die nicht Kontakt halten zu ihr?
Wenn die stationäre Hilfeform in der Heimeinrichtung nicht beendet wurde und der junge Mensch weiter in der Einrichtung untergebracht ist, also nach dem Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie dorthin zurückkehrt, ist die Einrichtung auch weiterhin zuständig. Das bedeutet, dass Einrichtungen in einem solchen Fall meist in Form von Telefonaten und Besuchen zu den jungen Menschen Kontakt halten und sich gegebenenfalls auch um die Organisation von Beurlaubungen in die Einrichtung kümmern. Darüber hinaus halten die jeweiligen (Bezugs-)Pädagoginnen aus dem Heim in der Regel auch Kontakt mit den behandelnden Ärztinnen und Therapeutinnen über den Behandlungsverlauf, wenn eine entsprechende Vollmacht der Sorgeberechtigten vorliegt. Besteht hier ein Klärungsbedarf kann mit der Heimeinrichtung selbst Kontakt aufgenommen und erfragt werden welche Begründung es für den momentanen Kontaktabbruch zu dem jungen Menschen gibt. Wenn über diesen Weg keine Klärung der Situation / Information möglich ist, kann das zuständige Jugendamt kontaktiert und um Klärung der Situation gebeten werden.
Frage 17.4.: Psychiatrie: Mein Kind ist im Heim untergebracht und soll nun Medikamente bekommen, die gar nicht für Kinder und Jugendliche zugelassen sind! Was kann ich tun?
Da dies eine sehr spezielle Frage ist, wende dich dazu an die für dich zuständige Ombudsstelle.