Laudatio zum Rücktritt für Jürgen Wittkötter

25.03.2021
Foto von Jürgen Wittkötter

In seiner Lebensplanung hat der 1950 in Osnabrück geborene Jürgen Wittkötter mit dem Gedanken gespielt, Lehrer zu werden. Wer Jürgen kennt, weiß, dass es nicht sein Ding ist, andere zu belehren. Er geht vielmehr in Kontakt, ins Gespräch, entwickelt Ideen im Dialog und ist immer darauf bedacht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.


So entschied er sich zunächst dafür, einen bodenständigen Beruf zu erlernen, ging bei den Farbwerken Hoechst 1967 in die Ausbildung zum Biologielaboranten. Ob es den vor den Werkstoren des damals in Deutschland führenden Chemiekonzerns jeden Morgen agitierenden Frankfurter Studenten gelungen ist, ihn von der Notwendigkeit der Revolution zu überzeugen, ist nicht überliefert. Aber mit der Lehrlingsbewegung kam Jürgen in Kontakt. Und während in dem linken Frankfurter Soziotop die Heimkampagne forciert wurde, haben politisierte Lehrlinge die ungerecht verteilten Partizipationschancen der Arbeiterjugend zusammen mit den Gewerkschaften politisch artikuliert.


Das Erleben von und die Einsicht in ungerecht verteilte Partizipationschancen werden es denn auch gewesen sein, die Jürgen nach der abgeschlossenen Ausbildung zunächst in Braunschweig zum Studium der Sozialarbeit bewegt haben, um sich dann in seiner Heimatstadt im Jugendamt in der „guten alten“ Jugendfürsorge umzutun. Er fand schnell heraus, dass die behördliche Sozialarbeit für seinen Geschmack nicht nah genug bei den Menschen ist und wechselte in das Jugendzentrum in Bielefeld, wo er auch seine spätere Frau kennen und lieben lernte.


Seine weitere berufliche Laufbahn, man muss vielleicht eher von einem Parcours sprechen (zwei Jahre Jugendpfleger im Landkreis Diepholz, Berufsfindungslehrgänge in der VHS Vechta), wurde 1985 bis 1987 gesundheitsbedingt unterbrochen. Jürgen nutzte die Zeit des beruflichen Leerlaufs aber, um Erziehungswissenschaft zu studieren und zusammen mit seiner Frau für Nachwuchs zu sorgen.


Nach dieser Unterbrechung arbeitete er wieder mit Jugendlichen bei einem kleinen freien Träger, in Jugendwerkstätten und Jugendlichen in U-Haft, beim Jugendbildungsreferenten der Ev. Akademie Loccum, um dann bis zu seiner Verrentung bei den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel zu arbeiten, zunächst noch in der stationären Obdachlosenhilfe und Berufsfindung für Erwachsene, ab 2007 dann in der Beratung von Erziehungsstellen.


In allen beruflichen Stationen sah Jürgen sich mit ungerecht verteilten Partizipationschancen konfrontiert. Die Frage, wie von staatlicher Fürsorge betroffene Menschen unterstützt werden können, führte ihn, ganz in den erzieherischen Hilfen angekommen, schon fast automatisch zum Engagement in der Ombudschaft: er nahm mit dem Berliner Rechtshilfefonds Kontakt auf und wurde dort Mitglied. Auch an der Gründung des Vereins Bundesnetzwerks beteiligte sich Jürgen, auch wenn noch gar keine niedersächsische Initiative in Sicht war. Die Vermittlung von Ulli Schiller führte dazu, dass im November 2010 bei einer Tagung des Deutschen Vereins mit Ulrike Urban-Stahl in Berlin-Köpenick mit Kollegen aus Hannover bei einem Glas Wein BerNi gewissermaßen gezeugt und ein Jahr später aus der Taufe gehoben wurde.


Im Verein Bundesnetzwerk Ombudschaft hat Jürgen über ein Jahrzehnt mitgewirkt an der Entwicklung und Schärfung dessen, was das Profil von Ombudschaft überhaupt ausmacht. Insbesondere hat er unbeirrbar gestritten für die Unverzichtbarkeit ombudschaftlicher Unabhängigkeit von der öffentlichen wie auch der freien Kinder- und Jugendhilfe.


Jürgen Wittkötter hat sich jetzt aus dem Bundesnetzwerk zurückgezogen, nicht aber aus der Leidenschaft für ombudschaftliche Beratung von Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Sorgeberechtigten. Weiterhin brennt er für Idee und Praxis der Ombudschaft, weiterhin berät er Betroffene bei der Wahrnehmung ihrer Interessen. Er will aber jetzt mehr Zeit haben für seine zahlreichen reizvollen Hobbies (Natur-Fotografie, Tiffany, Handwerkliches, der große, große wilde Garten) für seine Familie, für sein Enkelkind. Das – so meinen wir – steht ihm aber auch „dienstrangmäßig“ zu.



Dem Vorstand des Bundesnetzwerks Ombudschaft bleibt jetzt nur, Ihm für sein unermüdliches Engagement ganz herzlichen Dank zu sagen und für die persönliche, gesundheitliche und familiäre Zukunft alles, aber auch wirklich alles Gute zu wünschen.


Für den Vorstand


Dieter Reuter-Spanier